Mehr als nur Traeume
hoffte inständig, daß sie auch alles, was sie der Frau erzählte, im Gedächtnis behalten würde.
Eine Stunde später fanden sich nach und nach auch die anderen Dienstboten wieder in der Küche ein, und Dougless merkte, wie ungeduldig sie waren, von Mrs. Anderson pikante Neuigkeiten zu erfahren, weshalb ihre Anwesenheit nicht mehr erwünscht war.
Nachdem Dougless die Küche verlassen hatte, machte sie sich auf die Suche nach Nicholas. Sie fand ihn zusammen mit Arabella in einer Gartenlaube, und die beiden waren offenbar inzwischen miteinander so vertraut wie zwei Turteltauben.
»Lord Stafford«, sagte Dougless laut. »Wollten Sie nicht Briefe diktieren?«
»Lord Stafford ist zur Zeit beschäftigt«, erwiderte Arabella, sie anfunkelnd. »Er wird sich am Montag wieder seinen Geschäften widmen. In der Bibliothek liegen ein paar Notizen von mir, die Sie tippen können.«
»Lord Stafford ist.. .« mein Arbeitgeber, wollte sie sagen, aber Nicholas fiel ihr ins Wort.
»Ja, Miss Montgomery, vielleicht können Sie Lady Arabella helfen.«
Dougless blickte ihn wütend an und hätte ihm fast gesagt, was sie von ihm hielt, aber in seinen Augen lag ein geradezu flehender Ausdruck, ihm zu gehorchen. Und obwohl sie wußte, was sie eigentlich tun sollte - nämlich beiden zu sagen, was sie von ihnen hielt -, machte sie auf den Absätzen kehrt und ging ins Haus zurück. Schließlich ging sie sein Privatleben ja nichts an, dachte sie bei sich. Es war nicht wichtig für sie, was er mit anderen Frauen anstellte. Natürlich hätte sie ihn darauf hinweisen können, daß er sich durch seine neckischen Spielchen mit Arabella in der Vergangenheit seinen Nachruf verdorben und zum Gespött vieler Generationen gemacht hatte, und nun sah es so aus, als wollte er sich wiederholen. Ja, sie würde sich vielleicht schon die Freiheit herausnehmen, ihm das zu sagen. Und warum wollte er sich überhaupt an diese von der Gunst der Männer sicherlich verwöhnten Arabella heranmachen, wenn er doch so wahnsinnig in seine Frau verliebt war?
Sie brauchte eine Weile, bis sie die Bibliothek fand, und die sah genauso aus, wie sie sich eine Bibliothek in einem dieser großen englischen Adelshäuser vorgestellt hatte: mit in Leder gebundenen Folianten gefüllt, mit Ledersesseln, dunkelgrünen Wänden und Eichentüren. Sie blickte sich im Raum um und übersah zunächst den blondhaarigen Mann, der, in ein Buch vertieft, vor einem der Regale stand. Obwohl sie ihn nur im Profil sah, konnte Dougless doch sofort erkennen, daß er ein außerordentlich hübscher Mann war -zwar nicht so göttlich schön wie Nicholas, aber immerhin hübsch genug, um etliche Herzen schneller schlagen zu lassen. Sie registrierte ebenfalls, daß er ungefähr einsfünfundsechzig groß war. Dougless wußte aus eigener Erfahrung, daß kleine hübsche Männer so eitel waren wie Zwerghuhn-Gockel und so kleine hübsche Frauen, wie Dougless eine war, mochten.
»Hallo«, sagte sie.
Der Mann blickte von seinem Buch hoch, auf dieses hinunter, dann wieder hoch, bis er sie schließlich mit unverhohlenem Interesse anstarrte. Er legte sein Buch weg und kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu. »Hei. Ich bin Hamilton Nolman.«
Dougless nahm seine Hand. Blaue Augen, perfekte Zähne. Was für ein überaus interessanter Mann. »Ich bin Dougless Montgomery, und Sie sind Amerikaner.«
»Ich bekenne mich schuldig«, sagte er, und sie schienen sich auf Anhieb gut zu verstehen. »Ist das nicht unglaublich?« sagte er zu ihr, sich im Zimmer umsehend.
»So unglaublich wie die Leute in diesem Haus. Lady Arabella schickte mich hierher, um zu tippen, und ich arbeite nicht einmal für sie.«
Hamilton lachte. »Warten Sie ab. Es wird nicht lange dauern, und sie wird Sie die Toiletten schrubben lassen. Sie duldet keine hübschen Frauen in ihrer Nähe. Alle Mädchen, die hier arbeiten, sind graue Mäuse.«
»Das ist mir bisher gar nicht aufgefallen.« Sie blickte ihn an. »Sind Sie nicht der Doktor, der die Stafford-Papiere auswerten soll? Die Papiere, die aus der Wand herausgefallen sind?«
»Der bin ich.«
»Das muß aufregend gewesen sein«, sagte Dougless mit großen, erstaunten Augen und bemühte sich, so jung, unschuldig und unbedarft wie möglich auszusehen. »Wie ich hörte, sollen die Papiere geheime Informationen enthalten. Ist das wahr, Dr. Nolman?«
Er lachte auf eine väterliche Weise. »Bitte, nennen Sie mich Lee. Ja, es war ziemlich aufregend. Obwohl ich mich gerade erst in die Papiere
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