Mehr als nur Traeume
einlese.«
»Es dreht sich darin alles um einen Mann, der hingerichtet werden sollte, nicht wahr? Ich .. .« Sie senkte die Augen und die Stimme. »Ich schätze, Sie werden mir das nicht sagen wollen, nicht wahr?«
Sie sah, wie er die Brust stolz vorwölbte, und in der nächsten Sekunde saßen sie beide in Ledersesseln, und er hielt ihr einen Vortrag, als hätte er bereits einen Lehrstuhl als ordentlicher Professor. Trotz der Tatsache, daß er ein bißchen großspurig war, fand sie Gefallen an ihm. Würde ihr Vater nicht liebend gern einen Schwiegersohn haben, der sich für mittelalterliche Geschichte interessierte?
Moment mal, Dougless, ermahnte sie sich, vergiß nicht, daß du den Männern abgeschworen hast! Sie hörte Lee so gespannt zu, daß sie nicht hörte, wie Nicholas in den Raum kam.
»Miss Montgomery!« sagte Nicholas so laut und streng, daß ihr die Hand unter dem Kinn wegrutschte und sie fast aus dem Ledersessel gefallen wäre. »Sind meine Briefe getippt?«
»Getippt?« fragte sie. »Oh, Ni. .. Lord Stafford, ich würde Sie gern mit Dr. Hamilton Nolman bekanntmachen. Er ist...«
Nicholas ging, Dr. Nolmans ausgestreckte Hand übersehend, ans Fenster und sagte im arroganten Ton: »Lassen Sie uns allein.«
Lee sah Dougless, die Augenbrauen hochziehend, an, nahm seine Bücher, klemmte sie unter den Arm und verließ die Bibliothek.
»Für wen halten Sie sich eigentlich?« fragte Dougless. »Sie sind kein Lord mehr und auch nicht im Mittelalter, wo Sie die Leute nach Belieben herumkommandieren konnten. Außerdem -was wissen Sie schon vom Tippen!«
Nicholas drehte sich zu ihr um, und sie sah ihm an, daß er ihr gar nicht zugehört hatte. »Sie waren diesem kleinen Manne sehr nahe.«
»Ich . . .?« Dougless’ Stimme verebbte. Hatte da etwa Eifersucht aus seiner Stimme gesprochen? Sie ging hinüber zu dem wuchtigen Schreibtisch aus Eiche. »Er sieht sehr gut aus, nicht wahr? Und denken Sie an - so jung und schon ein Gelehrter! Wie geht es Arabella? Haben Sie ihr schon von Ihrer Frau erzählt?«
»Was für ein Gespräch haben Sie mit diesem Mann geführt?«
»Das Übliche«, sagte sie, mit dem Finger an der Schreibtischkante entlangfahrend. »Er erzählte mir, daß ich hübsch sei. Solche Dinge eben.«
Sie sah auf Nicholas zurück und bemerkte, daß sein Gesicht einen Ausdruck mühsam gebändigter Wut angenommen hatte. Ihr Herz schwoll an vor Glück. Rache, dachte sie, kann süß sein. »Ich konnte dennoch einiges herausfinden. Lee - das ist Dr. Nolman - hat die Papiere bisher noch gar nicht gelesen. Offenbar hatte Ihre Arabella sich Zeit gelassen, unter den vielen Gelehrten, die sie darum baten, die Papiere einsehen zu dürfen, einen auszuwählen. Wie ich Lees Worten entnehmen konnte, hatte sie nach Fotos denjenigen gesucht, der am besten aussah. Für sie war das Ganze gewissermaßen ein männlicher Schönheitswettbewerb. Wie ich hörte, hat sie die Fotos von Frauen weggeworfen. Er sagte, sie sei schrecklich enttäuscht gewesen, als sie feststellen mußte, daß er kleiner war als sie. Lee erzählte, Arabella habe einen Blick auf ihn geworfen und gesagt: >Ich dachte, Amerikaner wären groß.< Lees Selbstbewußtein scheint, Gott sei Dank, heil geblieben zu sein, weil er nur darüber lachte. Er ist ziemlich überzeugt, daß Arabella ein Ekel ist. Oh, Entschuldigung, ich hatte ganz vergessen, wie sehr Sie die Dame verehren.«
Nicholas’ Gesicht war noch immer rot vor Wut, und Dougless zeigte ihm ihr schönstes Lächeln. »Wie geht es Arabella?« fragte sie mit süßer Stimme.
Nicholas funkelte sie noch einmal wütend an, und dann veränderte sich der Ausdruck seiner Augen. Er drehte sich um und deutete auf einen alten Eichentisch, der an einer Wand stand. »Das ist der richtige Tisch«. Dann lächelte er fein und verließ den Raum.
Dougless ballte die Hände zu Fäusten, ging zur Wand und trat mit dem Fuß nach dem Tisch. Dann hüpfte sie, sich den großen Zeh haltend, im Zimmer herum und verfluchte alle Männer.
9
Das Dinner sollte um acht serviert werden, und Dougless zog ihr Museumsbesuchskleid an. Sie hoffte, daß die Abendkleider, um die sie Elizabeth gebeten hatte, bereits auf dem Weg nach England waren. Als es kurz vor acht war und niemand kam, um sie zum Dinner zu rufen, wunderte sie sich. Sie wußte, daß die Dienstboten schon vor einer Stunde gegessen hatten und sie nicht dazu aufgefordert worden war, mit ihnen zu speisen. Also blieb sie in ihrem Zimmer und wartete.
Um Viertel nach acht
Weitere Kostenlose Bücher