Mehr als nur Traeume
wieder anfing, ihren Arm zu küssen.
»Gut«, sagte er und ließ ihren Arm so abrupt los, daß er auf ihrem schmutzigen Teller landete. »Nun müssen wir packen.«
Dougless verzog das Gesicht und wischte sich rasch mit der Serviette den Arm ab. Dann rannte sie ihm nach. »Ist das die Methode, mit der Sie Arabella überreden wollen?« rief sie laut, verbiß sich dann aber weitere Bemerkungen, als sie merkte, daß die anderen Gäste im Speisesaal sie anstarrten. Dougless setzte ein schiefes, entschuldigendes Lächeln auf und hastet aus dem Speiseraum.
In ihrer Suite erlebte Dougless nun wieder einen anderen Nicholas. Er war sehr besorgt, daß seine Kleidung vielleicht nicht korrekt sein könnte. Er hielt ein prächtiges Leinenhemd in die Höhe und sagte: »Es fehlen die Federn.«
Dougless betrachtete ihre eigene magere Garderobe. Ihr war zum Heulen zumute. Ein Wochenende auf dem Landsitz eines Lords, wo man sich zum Dinner umzog, und sie hatte nichts als einen Koffer voller praktischer Wollsachen. Sie wünschte, sie hätte das lange Weiße von ihrer Mutter -das mit den Perlen. Oder das rote Abendkleid mit dem . . .
Sie ruckte mit dem Kopf hoch, lächelte, und in der nächsten Sekunden war sie am Telefon und mit ihrer Schwester Elizabeth in Maine verbunden.
»Du willst, daß ich dir zwei von Mutters besten Abendkleidern schicke? Sie wird uns beide umbringen.«
»Elizabeth«, sagte Dougless mit flehender Stimme. »Ich übernehme die volle Verantwortung. Nur schick sie JETZT! Mit Eilluftfracht! Hast du einen Bleistift?« Sie gab Elizabeth die Adresse von Goshawk Hall durch.
»Dougless, was passiert da drüben eigentlich? Erst rufst du mich ganz verzweifelt an und willst mir nicht sagen, was los ist, und jetzt verlangst du, daß ich Mutters Kleiderschrank plündern soll!«
»Passieren tut nicht viel. Wie kommst du mit deiner Arbeit voran?«
»Sie macht mich fast wahnsinnig. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, sind auch noch alle Abflüsse verstopft. Ein Klempner will heute noch vorbeikommen. Dougless bist du sicher, daß mit dir alles in Ordnung ist?«
»Mir geht’s gut. Viel Glück mit deiner Arbeit und dem Klempner. Bye.«
Dougless packte ihren Koffer, den von Nicholas - für sich selbst einen Koffer zu packen, gehörte zu den Dingen, die ihm nicht einmal im Traum einfallen würden - und rief dann ein Taxi. Da kein Koffer groß genug war für seinen Harnisch und sein Schwert, packte Nicholas beides in eine große Tragetasche.
In Goshawk Hall nahm Arabella Nicholas buchstäblich mit offenen Armen auf. »Kommen Sie herein, Darling«, schnurrte sie. »Ich habe das Gefühl, daß wir beide uns schon gut kennen. Schließlich waren unsere Vorfahren sich ja sehr nahe gewesen. Wie kämen wir dazu, uns da ganz anders zu verhalten?« Sie zog ihn in die Halle hinein und ließ Dougless mit einem halben Dutzend Koffern vor der Tür stehen.
»Wer sind wir denn, daß wir uns da anders verhalten sollen?« spöttelte sie mit einer Falsettstimme, während sie den Taxifahrer bezahlte.
Dougless brauchte keine fünf Minuten, um zu begreifen, daß sie nicht als Gast des Hauses, sondern als Dienstbote betrachtet wurde - und als ein nicht gerade willkommener dazu. Ein Mann führte sie - wobei Dougless ihren Koffer selbst schleppen mußte - in einen kleinen kahlen, kalten Raum unweit der Küche. Sie kam sich vor wie eine Gouvernante in einem Schauerroman - weder Gesinde, noch Familie -, packte ihre Kleider aus und hängte sie in einen nicht ganz sauberen kleinen Wandschrank. Als sie sich in dem häßlichen kleinen Zimmer umsah, fühlte sie sich als Märtyrerin. Das nahm sie nun alles auf sich, um einem Kerl zu helfen, sein Leben und den Namen seiner Familie zu retten, und sie würde das nicht einmal jemandem erzählen dürfen.
Sie ging in die Küche und fand den riesigen Raum leer vor; aber an dem einen Ende des Arbeitstisches waren zwei Teegedecke aufgelegt worden.
»Da sind Sie ja«, sagte eine üppige Frau mit ergrauenden Haaren.
Binnen weniger Sekunden sah sich Dougless am Arbeitstisch sitzen und Tee mit dieser Frau trinken. Mrs. Anderson war die Köchin des Hauses und die herrlichste Plaudertasche, der Dougless jemals begegnet war. Es gab nichts, was diese Frau nicht wußte oder worüber sie nicht zu reden bereit war. Sie wollte wissen, warum Dougless hier war und wer Lord Stafford sei, und als Gegenleistung wollte sie Dougless alles erzählen. Dougless breitete ein kompliziertes Netz von Lügen vor ihr aus und
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