Mehr Bier
Name?«
»Kayankaya.«
»Sehr schön, kommen Sie.«
Bevor er die Tür schloß, sah er noch einmal zur Prinzessin hinüber.
»Petra, sei so lieb und bleib etwas länger, wir müssen noch einiges besprechen.« Er zwinkerte väterlich über ihren Busen hin und stolzierte dann wie ein Gockel zum Schreibtisch.
»Was kann ich für Sie tun, Herr Kayankaya?«
»Ich brauche sämtliche Unterlagen der Firma seit neunzehnhundertsechsundsechzig über Geschäftsverbindungen mit anderen Unternehmen. Außerdem die vollständige Personal- und Gehaltsliste auf aktuellem Stand. Und die Finanzbücher mit Bilanzen, ebenfalls seit Sechsundsechzig.«
Er hatte aufgehört, seine Unterlippe abzunagen, und schob sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund.
»Da haben Sie sich was vorgenommen.«
»Je eher ich anfange, desto schneller bin ich fertig.« Er nickte.
»Was ich den Leuten immer sage. Trödelei verdirbt die Moral und ist schlecht für die Firma. Wenn Sie verstehen, was ich meine?«
Ich verstand nicht.
»Warten Sie, ich werde sämtliche Bücher herbringen lassen.«
Fünf Minuten später schleppte ein Mann Berge Leitz- Ordner an. Ich begann zu blättern, ohne eine Ahnung zu haben, was ich suchte. Meyer wurde ungeduldig. Aus der gemeinsamen Überstunde mit Petra schien nichts zu werden. Schließlich nahm ich mir die Gehaltslisten vor. Geld hat was Sinnliches, auch, wenn es anderen gehört.
»Warum verdient Doktor Kliensmann dreimal so viel wie alle anderen?«
»Doktor Kliensmann ist nicht in der Entwicklung und auch nicht in der Forschung oder Produktion beschäftigt, er erfüllt die Position eines psychologischen Beraters für Firma und Mitarbeiter. Die Idee der Position stammt vom verstorbenen Herrn Böllig und richtet sich nach amerikanischem Vorbild.«
»Wie sieht das aus? Hat der Doktor in der Fabrik einen Raum mit Couch, und jeder, der will oder muß, kann zu ihm gehen und plaudern?«
Meyer lächelte.
»Aber nein. Doktor Kliensmann ist Leiter von Ruhenbrunn. Sie haben die Klinik vielleicht auf dem Herweg bemerkt. In dringenden Fällen kommt er auch mal rüber, aber eigentlich besteht seine Aufgabe darin, die Firmenleitung beim Umgang mit den Angestellten zu beraten. Zum Beispiel, wie man Arbeitswillen motivieren kann oder Bereitschaft erreicht, sich für die Firma einzusetzen und sich mit ihr zu identifizieren. Auch in Fragen wie der Gestaltung des neuen Kantinenraums wird Doktor Kliensmann herangezogen. Die Japaner haben da unwahrscheinliche Sachen entdeckt.«
»Und diese Beraterfunktion läßt sich der Doktor so teuer bezahlen?«
»Da wird Qualität, nicht Quantität honoriert.«
»Aha.«
Ich blätterte noch ein bißchen. Dann gab ich auf.
»Das war’s, Herr Meyer. Könnte ich jetzt das Material über die Unglücksfälle vom letzten Sommer sehen? Ich brauche die Adressen der Kinder, die Schadenersatzforderungen, den jeweiligen gerichtlichen Befund und so weiter.«
»Einen Augenblick.«
Meyer ging hinaus. Durch die halboffene Tür hörte ich, wie er der Prinzessin vorschlug, zu ihm nach Hause zu gehen. Ich schaute noch einmal in die Ordner. Als er mit einer roten Mappe zurückkam und sie auf den Tisch schob, hielt ich ihm die Personalliste vor die Nase.
»Herr Windelen und Frau Doktor Hahn wurden letzten Monat entlassen. Warum?«
»Eine unangenehme Sache. Windelen und die Hahn haben sich wiederholt und ohne Rücksprache mit der Firmenleitung in die Diskussion um die Giftaffäre eingemischt. Selbst im Betrieb drängten sie auf eine Art Untersuchungs- und Kontrollausschuß in Abwässerfragen. Die beiden haben derart das Betriebsklima vergiftet, sie waren nicht mehr zu halten.«
Ich nahm mir die rote Mappe vor. Die Schadensersatzforderungen beliefen sich auf fünfzigtausend pro Kind. Nach ärztlichem Befund hatten sie Hautschäden für ihr Leben davongetragen. Der Prozeß war auf kommenden Februar angesetzt.
»Wieso zahlen sie nicht? Dann hätten sie Ruhe vor der Öffentlichkeit.«
Er sah mich prüfend an.
»Seit dem Mord an Herrn Böllig stehen die Chancen, den Prozeß zu gewinnen, nicht schlecht. Die öffentliche Meinung hat sich gewendet.«
»Ahja.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch. Auch vorher fühlten wir uns für den Unfall nicht verantwortlich. Schilder und Zäune weisen auf mögliche Gefahren hin. Außerdem gehört der See schließlich zum Firmengelände. Die Kinder sind widerrechtlich eingedrungen, wenn man so will.«
»Wenn Sie den Prozeß verlieren, müssen Sie genau
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