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gut ist, dann spricht doch nichts dagegen, daß man ihn oft spielt, oder?«
»Nein. Ich denke nicht.«
»›What I Did for Love‹ ist wahrscheinlich mein absoluter Lieblingssong. Wenigstens … na ja, es ist der einzige Song aus dem Album, den man mitsummen kann. Nicht, daß das so wichtig wäre, aber … Na ja, ich meine, wer kann schon ›The Music and the Mirror‹ summen?«
»Keine Ahnung. Ich weiß noch nicht mal, von welchem Album du redest.«
»Klar weißt du das. Chorus Line. «
Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid.«
»Das Musical, Burke. In San Francisco ist es auch gelaufen.«
»Ich habe dir ja gesagt, daß ich nicht mehr auf der Höhe der Zeit bin.«
Mary Ann zuckte mit den Schultern, doch insgeheim war sie erleichtert. Burke konnte nicht schwul sein, wenn er noch nie was von Chorus Line gehört hatte. Sie beschloß, das Thema zu wechseln. Burke schien sich bei Popmusik etwas unwohl zu fühlen.
»Wie lang hast du in San Francisco gelebt, Burke?«
»Eigentlich nur kurz. Und zu Hause fühle ich mich auch eher in Nantucket.«
»Arbeitest du dort?« Das kam ihr erwachsener vor als: »Und was machst du so?« Neun Monate in San Francisco hatten diese Frage für immer aus ihrem Gehirn verbannt.
»Kann man so sagen. Mein Vater ist im Verlagswesen. Ich helfe manchmal bei ihm aus.«
»Nein, wie toll!« Mein Gott, das hörte sich ja vielleicht teenagermäßig an! Warum holperte ihre Unterhaltung bloß so dahin?
»Komm, Mary Ann, gehen wir ein bißchen an die frische Luft. Okay?«
Draußen auf dem Sonnendeck lehnten sie sich an die Reling und sahen zu, wie der Mond über der ruhigen See aufging. Wie üblich war sie diejenige, die das Schweigen brach.
»Ich rede zuviel, was?«
Er legte ihr den Arm um die Schultern. »Überhaupt nicht.«
»Doch, doch. In der High-School hab ich den Optimist Oratory Contest gewonnen, und seither hab ich mit dem Reden nicht mehr aufgehört.«
Er lachte. »Ich fürchte, im Moment bestreitest du die ganze Unterhaltung allein.«
Sie ging nicht darauf ein und schaute wieder auf das Wasser hinaus. »Weißt du, was mich heute morgen umgehauen hat?«
»Was?«
»Die Rettungsübung … Was der Kapitän da gesagt hat. Ich hab gar nicht gewußt, daß man Frauen und Kinder nicht mehr als erste von Bord schickt.«
»Tja. Die Zeiten ändern sich.«
»Ja, leider.«
Er reagierte darauf, indem er ihre Schulter drückte.
»Ich meine, es ist einfach nicht fair. In dem Song heißt es, daß es immer noch so ist wie früher, aber das stimmt gar nicht. Wer kann sich heute noch wie Ingrid Bergman fühlen?«
»Das ist wenigstens mal eine, die ich kenne.« Er kicherte.
»Wie alt bist du, Burke?«
»Siebenundzwanzig.«
»Du wirkst … ich weiß nicht recht … nicht eigentlich älter, aber … Es ist schwer zu sagen. Du wirkst wie siebenundzwanzig und gleichzeitig so, als wärst du es schon ziemlich lange.«
»Anders gesagt: Ich bin nicht mehr auf der Höhe der Zeit.«
»Warum sagst du das ständig, Burke? Ich mag das, Burke. Wirklich.«
Er beugte sich zu ihr hinunter und küßte sie zart auf den Mund. »Und ich mag dich. «
»Wirklich?« fragte sie.
»Ja. Sehr sogar, Mary Ann.«
»Ingrid«, sagte sie und erwiderte seinen Kuß.
Familienplanung
Im Neonlicht des Doggie Diner nahmen die Furchen und Krater in Bruno Koskis Gesicht mondähnliche Ausmaße an. Beauchamp fiel auf, daß von Brunos mayonnaiseverschmierten Mundwinkeln alles Flüssige abperlte.
»Daß ich das noch mal klarstelle, Mann. Du willst nich, daß sie hopps geht, sondern bloß …«
»Reden Sie gefälligst leise, Bruno!«
Bruno zuckte mit den Schultern und schaute mit einem verächtlichen Blick durchs Lokal. »Sin doch alles Drogisten hier, Mann. Da hört keiner hin.«
»So was weiß man nie.«
»Ich kenn das doch sofort, ob einer ’n Drogist is oder nich.«
Das stimmte. Bruno kannte seine Drogisten. Beauchamp schaute auf seinen Hamburger hinunter. »Okay, ich wollte nicht … Wissen Sie, ich bin einfach nervös. Ich habe so etwas noch nie gemacht.«
»Dann schieb mal rüber mit dem, was de von mir willst, Mann.«
Beauchamp hielt den Kopf gesenkt und entfernte umständlich die Zwiebeln von seinem Hamburger. »Ich möchte, daß Sie dafür sorgen … daß sie das Baby nicht bekommt … das heißt die Babies.«
Bruno blinzelte ihn ungläubig an. »Ich soll ihr den Bauch eintreten?«
»Sie sollen ihr nicht weh tun, Bruno.«
»Okay. Den Bauch soll ich ihr eintreten, aber weh tun darf s
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