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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Kastensystem der East Bay kannte sie anscheinend aus dem Effeff.
    »Was hat Sie auf die Idee gebracht, daß ich nicht verheiratet sein könnte?«
    Die Frau drehte sich zu DeDe um und musterte ihr Gesicht, als suchte sie die Bestätigung für etwas. »Ich weiß nicht recht. Sie wirken so … unabhängig.«
    »Tatsächlich?«
    Die Frau lächelte. »Nein. Aber ich dachte, daß Sie es gerne hören.«
    DeDe schaute auf ihren Teller. Sie war fasziniert vom Scharfblick dieser Fremden und fürchtete sich gleichzeitig ein bißchen davor. »Glauben Sie, daß es schon zu spät ist, um noch etwas … dagegen zu unternehmen?«
    Auf dem Gesicht der Frau machte sich ein schelmisches Grinsen breit. »Was würde Ihnen denn Spaß machen … ich meine, jetzt sofort … wenn Sie alles machen könnten, wozu Sie Lust haben, und wenn … Sie nicht Freunde in Piedmont hätten, die es vielleicht nicht gut fänden?«
    DeDe lächelte etwas unsicher. »Ach … meinen Sie hier im Viertel?«
    »Wenn Sie möchten.«
    »Ich würde mir gerne drüben auf der anderen Straßenseite diese Oben-ohne-Tänzerin ansehen, die sich in einen Gorilla verwandelt.«
    »Warum?«
    »Bloß, um mal zu sehen, wie die das anstellen. Wahrscheinlich mit Spiegeln.«
    Die Frau machte ein ernstes Gesicht und schüttelte den Kopf. »In Wirklichkeit ist es ein Gorilla mit Mädchenmaske, der in einem fleischfarbenen Bodystocking steckt.«
    »Sie meinen, die …« DeDe lachte, als es bei ihr funkte. »Sehen Sie jetzt, wie leichtgläubig ich bin?«
    »Es gibt nur eine Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden.«
    »Das meinen Sie nicht ernst!«
    »Es gibt nichts, das ich lieber täte, als mir zusammen mit einer schwangeren Freundin den Oben-ohne-Auftritt eines Gorillaweibchens anzusehen.«
    DeDe überlegte einen Moment, bevor sie die Hand ausstreckte. »Abgemacht. Ich heiße DeDe Day … oder DeDe Halcyon. Wie es Ihnen lieber ist.«
    Der Name schien der Frau etwas zu sagen. »Sind wir uns schon mal begegnet?« fragte DeDe.
    »Ich … lese die Klatschspalten.«
    »O Gott!«
    »Das macht doch nichts. Ich mag Sie trotzdem. Ich heiße D’orothea.«
    »Das ist ein hübscher Name«, sagte DeDe.

Mutters Söhnchen
    Mrs. Madrigal trug zu ihrem pflaumenfarbenen Kimono einen roten Satinturban, als sie die Tür öffnete. Ihr Make-up war besser, als Mona es je an ihr gesehen hatte.
    Die Vermieterin sah ihre Tochter lächelnd an. »Umarmst du mich nun oder nicht?«
    Mona wurde rot. »Oh, ja … O ja, natürlich!« Sie trat reichlich ungraziös in die Wohnung, ließ ihre persische Satteltasche auf den Boden fallen und warf sich in Mrs. Madrigals Arme. Die Vermieterin tätschelte flüchtig Monas Kopf und machte sich sanft aus der Umarmung frei.
    »Ist da nicht noch jemand, den ich noch begrüßen soll, Liebes?«
    »Oh … O Gott, tut mir leid.« Sie drehte sich zu Mother Mucca um, die immer noch an der Tür stand. Die alte Frau machte ein finsteres Gesicht, schüttelte über Mona den Kopf und wandte sich an Mrs. Madrigal.
    »Sie hat nich mal soviel Manieren, wie Gott ’nem Maultier gegeben hat!«
    Mrs. Madrigal lächelte ungerührt und streckte Mother Mucca die Hand entgegen. »Ich bin so froh, daß du gekommen bist.«
    Die Puffmutter griff nach ihrer Hand und stieß grummelnd hervor: »Es war ihre Idee.«
    »Na, dann sollte ich mich wohl bei dir bedanken, Mona. Es ist schön, euch beide wiederzusehen.«
    »Ich kann nich lang dableiben«, sagte Mother Mucca.
    »Ich weiß«, antwortete die Vermieterin und hakte sich bei Mona unter. »Wir trinken einen kleinen Sherry und plaudern ein bißchen.« Ihr Blick kreuzte sich nur kurz mit dem von Mother Mucca. Mrs. Madrigal hatte den gleichen freundlichen, aber distanzierten Gesichtsausdruck, mit dem sie sonst den Zeugen Jehovas begegnete.
    Die Gastgeberin zog sich in die Küche zurück und ließ Mona mit ihrer Großmutter im Wohnzimmer allein. Mother Mucca war wie ein Granitblock mit Rouge drauf, mürrisch und verschlossen.
    »Und«, wollte Mona wissen, »ist sie nicht nett?«
    »Das is nich normal.«
    »Ich dachte, das hätten wir schon abgehakt.«
    »Du vielleicht. Das da draußen is mein Sohn.«
    »Ja, und sie ist mein Vater!«
    »Das is ganz was anders.«
    »Ach, bitte!«
    »Ich hab das Kind aufgezogen, Mädchen! Das is mein eigen Fleisch und Blut!«
    »Sie haben Sie in einem Puff aufgezogen, verflucht noch mal! Was haben Sie erwartet? John Wayne?«
    »Ich hau dir gleich eine in …«
    Die alte Frau wurde wieder starr, als Mrs. Madrigal ins

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