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mir nicht zu versprechen. Du kannst es auch gar nicht.«
»Was ist mit deinen Eltern?«
»Ich werde sie anrufen und es ihnen sagen. Sie haben sicher Verständnis dafür.«
»Werden sie nicht ein bißchen … besorgt sein? Ich meine, wegen San Francisco?«
»Nicht mehr als ich selbst.«
»Nur keine Angst. Diesmal bin ich ja da.« Nach einer Pause sagte sie so beiläufig wie möglich: »Ich glaube, in dem Haus, in dem ich wohne, ist gerade was frei. Wenn dich das interessiert …«
»Toll. Wo ist das?«
»Auf dem Russian Hill. In der Barbary Lane. Das ist ein entzückender kleiner Plankenweg wie aus dem Märchenbuch, und die Vermieterin ist einfach toll. Michael wohnt einen Stock darunter.«
»Und wo ist dann die freie Wohnung?«
»Gleich über den Flur.«
»Wie praktisch.«
Sie kicherte. »Der Kerl, der dort gewohnt hat, ist in das Häuschen auf dem Dach umgezogen.« Denk bloß nicht daran, was mit dem Kerl passiert ist, der dort vorher gewohnt hat!
Burke setzte sich auf, griff in die Tasche seiner Windjacke und überreichte Mary Ann ein kleines Päckchen, das in Kleenex eingewickelt war. Sie schlug Lage um Lage zurück, doch ihr Blick löste sich kaum eine Sekunde von Burkes verlegenem Gesicht.
In dem Päckchen lag der merkwürdige kleine Schlüssel, den er ihr am Strand gezeigt hatte. Er hing jetzt an einem Halskettchen aus vierundzwanzigkarätigem Gold.
»Wozu das Ding auch immer gut ist«, sagte er beinahe entschuldigend, »jedenfalls liebe ich dich.«
DeDe in der Stadt
DeDe wußte, daß sie einen lächerlichen Anblick bot: eine Frau im achten Monat vor einem Einzelgedeck am Tresen vom Vanessi’s, die zerknautschte Gucci-Einkaufstasche an den Barhocker gelehnt.
Ach, scheiß drauf, dachte sie. North Beach hat schon Verrückteres gesehen. Entschieden Verrückteres. Zum Beispiel die ausgeflippte Göre drüben vor dem Enrico’s. Grüne Haare und einen Müllsack an. Igitt!
Außerdem liebte sie dieses Restaurant. Sie genoß seine ungekünstelte Kultiviertheit und die stämmigen italienischen Köche, die ihre Pfannen mit der Grazie und Präzision von Tennisspielern schwangen.
Sie mußte daran denken, daß Beauchamp wahrscheinlich zu Hause im Penthouse war, und das lag nur vier Blocks den Hügel hinauf. Obwohl ihr vor einer zufälligen Begegnung mit ihrem Ehemann graute, verschaffte es ihr doch eine Art perverses Vergnügen, daß sie sich alleine in ihrem alten Viertel herumtrieb.
Merkwürdig fand sie es allerdings, daß ihre Mutter gegen diese unorthodoxe Expedition in die Stadt nicht protestiert hatte. Sie hatte kaum hochgeschaut von ihrem Koffer, den sie für einen Ausflug nach Napa gepackt hatte. Seltsam. Als würde sie etwas beschäftigen.
Aber was?
»Wäre es in einer der Nischen nicht angenehmer für Sie?«
DeDe sah von ihrem Kalbsbries auf und schaute in ein Paar freundliche braune Augen. Die Frau war sehr hübsch, hatte krause dunkle Haare und Wangenknochen, für die Veruschka einen Mord begangen hätte.
»Danke. Aber ich sehe mir gerne die Show an«, erwiderte sie und deutete auf die Köche hinter dem Tresen.
»O Gott, ja, ist es nicht phantastisch? Wenn man ihnen zusieht, wie sie die Zucchinis durch die Luft wirbeln – für mich ist das die beste Therapie überhaupt. Man erwartet, daß jeden Moment die Hölle losbricht, aber das passiert nie.«
»Anders als im Leben.«
Die Frau lachte. »Anders als im Leben.«
Ein Kellner stellte der Frau einen riesigen Teller Nudeln hin. »Na dann«, seufzte sie grinsend, »oink, oink, oink.«
»Sie sehen doch gut aus«, sagte DeDe. »Ich bin diejenige, die aufpassen sollte.«
»Na, Sie essen ja auch für zwei, Schätzchen!«
»Für drei.«
Die Frau pfiff durch die Zähne. »Dann kriegen Sie auch Nachtisch.«
Sie lachten beide. Die Frau war ziemlich hellhäutig, konstatierte DeDe, aber die Herzlichkeit und Natürlichkeit ihres Verhaltens hatte etwas beinahe Negroides. DeDe mochte sie auf Anhieb.
Die Frau legte die Gabel beiseite und lächelte DeDe an. »Sie sind nicht verheiratet, oder?«
Schweigen.
»O Gott«, sagte die Frau. »Wenn Sie Touristin sind, dann verzeihen Sie mir. Wir sind in dieser Stadt freier, als es uns guttut.«
»Nein … Ich meine, ja, ich bin verheiratet, aber ich lebe getrennt … Ich meine, wir leben getrennt. Aber ich wohne hier. Ich bin hier geboren.«
»Mhmm. Ich auch. Das heißt, wenn man Oakland gelten läßt.«
»Etliche Freunde von mir wohnen in Piedmont.«
»Das hab ich nicht gemeint.« Das
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