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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Blick.
    »Willkommen zu Hause«, sagte der Pilot.
    »Weiß Gott!« gab Michael zurück.
    In der Ankunftshalle puffte Mary Ann ihn in die Rippen. »Ich hab’s genau gesehen, daß du’s nur weißt.«
    »In einer Beziehung hast du recht«, antwortete Michael grinsend. »Die exzentrischen alten Junggesellen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.«

Wiedervereinigung in der Barbary Lane
    Weil es sich um einen besonderen Anlaß handelte, hatte Mrs. Madrigal ihre Haare an diesem Abend zu einer vom Jugendstil inspirierten Frisur aufgesteckt und mit einer großen seidenen Iris geschmückt.
    Gott sei Dank ist es keine Rose, dachte Mary Ann sofort, als sie ihre Vermieterin betrachtete, die sich in Gegenwart ihres neuesten Mieters beinahe kokett präsentierte.
    »Weißt du, Burke, ich hatte Mary Ann zwar gebeten, mir aus Mexiko etwas Nettes mitzubringen, aber ich hatte nicht erwartet, daß ihr Mitbringsel gleich so nett ist.« Sie musterte den jungen Mann lange genug, um ihn verlegen zu machen, und wandte sich dann an Michael. »Was ist mit dir, mein Kind? Hast du mir denn nichts mitgebracht?«
    Mary Ann kicherte. »Sein Mitbringsel kommt erst Freitag.« Als Michael ihr einen strafenden Blick zuwarf, schlug sie in gespielter Zerknirschung die Hand vor den Mund.
    »Was soll das heißen?« fragte Mrs. Madrigal.
    »Mouse redet nicht gerne darüber.«
    Die Vermieterin bekam große Augen. »Ahaaa!«
    »Mensch«, sagte Michael. »Hört bloß auf.«
    Mrs. Madrigal reichte einen Joint an ihn weiter. »Ich verstehe, mein Lieber. Du bist … abergläubisch wegen ihm.« Plötzlich legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Es ist doch ein Er, oder?«
    Michael zog an dem Joint und nickte.
    »Gott sei Dank«, seufzte Mrs. Madrigal. »Es gibt heutzutage so wenig, auf das man sich noch verlassen kann.«
    Michael lachte. »Wenn wir schon bei dem Thema sind … Wo ist Mona? Ich hab sie seit unserer Rückkehr noch nicht gesehen.«
    »Sie ist unten im Searchlight Market und besorgt uns was Gutes zu essen.«
    »Nein, ich meine … in der Wohnung ist alles so, wie ich es verlassen habe. Es sieht nicht so aus, als wäre Mona überhaupt mal zu Hause gewesen.«
    Die Vermieterin faßte sich nervös an die Frisur. »Das stimmt auch. Sie war weg. Und in der letzten Zeit hat sie hier unten gewohnt. In meinem Gästezimmer.«
    Michael zögerte. Er war jetzt überzeugt, daß etwas nicht stimmte. »Und … wo war sie?«
    »In Nevada.«
    »Am Lake Tahoe?«
    Mrs. Madrigal schüttelte den Kopf. »In Winnemucca.«
    »In Winnemucca?« Michael runzelte die Stirn. »Um Himmels willen, was hat sie denn in dem schäbigen Kaff gesucht?«
    Die Vermieterin zuckte mit den Schultern. »Sie wollte ein paar Sachen auf die Reihe kriegen, wie sie das formuliert hat.«
    »Und, hat sie es geschafft?«
    »Sie sagt schon.«
    Michael lächelte. »Sie lügt.«
    »Möglich«, sagte Mrs. Madrigal, die sichtlich Gefallen fand an dem Rätsel, das sie ihren Gästen aufgegeben hatte, »aber sie hat mir ein Geschenk mitgebracht.«
    Verblüfftes Schweigen.
    »Das Geschenk ist gerade mit Mona einkaufen, und wenn wir wieder eine glückliche große Familie sein wollen, sollte ich euch rasch ein paar Dinge erklären.« Mrs. Madrigal entschuldigte sich und eilte zum Telefon. Mary Ann hörte, daß sie Brian bat, nach unten zu kommen.
    Er tauchte ein paar Minuten später auf, barfuß, in Levi’s und shrimpfarbenem T-Shirt. Er nickte Mary Ann und Michael zur Begrüßung zu (»Hallo, lang nicht gesehen, was!«) und schüttelte Burke die Hand. Die Art, wie Mrs. Madrigal sich bei Brian unterhakte, erschien Mary Ann überraschend vertraut.
    »Brian hat das alles schon gehört«, erklärte die Vermieterin ruhig, »aber ich möchte die ganze Familie beisammen haben, wenn ich reinen Tisch mache.«
    Es dauerte ganze fünfzehn Minuten.
     
    Sie erzählte ihre Geschichte in einem Rutsch. Als sie damit zu Ende war, tätschelte sie wieder zerstreut an ihrer Frisur herum und warf Burke einen entschuldigenden Blick zu. »Nun, mein lieber Junge … Es ist noch nicht zu spät, um noch auszusteigen.«
    Mary Ann, die benommen und gerührt zugleich war, schaute zuerst Mrs. Madrigal an, dann Burke, der mit rotem Gesicht dastand, und dann wieder Mrs. Madrigal. Brian stand mit den Händen in den Taschen etwas verlegen neben ihr. Michaels Blick kreuzte sich kurz mit dem von Mary Ann, als sie ein paar Schritte nach vorn machte.
    »Mrs. Madrigal, bitte seien Sie nicht …« Sie griff nach der Hand der

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