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kriminalistischen Eifer.«
»O Gott. Wie kommt Burke damit zurecht?«
»Alles in allem nicht schlecht. Mary Ann und er sind so besessen von diesem komischen Schlüssel, daß sie sonst kaum noch was mitkriegen.«
»Haben sie schon eine Spur?«
»Null. Ich persönlich glaub ja, daß es der Schlüssel von einem Spind ist.«
»Wie auf Busbahnhöfen und so?«
»Oder in der Sauna.«
Jon wurde schulmeisterlich. »Nicht alle Welt ist schwul, Michael.«
»Wem sagst du das?«
»War das denn schon alles?«
»Was soll das heißen?«
»Waren das schon alle Neuigkeiten? Hat es kein Erdbeben gegeben? Sind keine mongolischen Reiterhorden eingefallen und haben sich auf der Brücke verbarrikadiert?«
Michael lächelte geheimnisvoll. »Du bist schon nahe dran.«
»Was ist passiert?«
»Ich habe einen Job!«
»Großartig! Wo?«
»Bei Halcyon Communications. Mary Ann hat mir das Vorstellungsgespräch vermittelt. Der Botenjunge hat seinen Schwanz einmal zu oft auf den Kopierer gelegt, und Beauchamp Dingsbums hat ihn rausgeschmissen. Jetzt hab ich seine Stelle, und ich fang am Montag an.«
»Das ist wunderbar, Michael.«
»Ja, wahrscheinlich.«
»Aber klar. Aufsteigen kannst du später immer noch, Michael.«
»Ich weiß. Und ich weiß auch, daß es ein guter Job ist. Aber das ist auch gleich das Problem. Mir ist sofort wieder der Monasche Lehrsatz eingefallen.«
»Hmhh?«
»Der Monasche Lehrsatz. Jedenfalls nennt sie es so. Sie sagt, daß man einen tollen Job, einen tollen Liebhaber und eine tolle Wohnung haben kann, aber nie alles gleichzeitig.«
Jon lachte und zwinkerte Michael zu. »Wie kommst du auf den Gedanken, daß du jetzt einen Liebhaber hast?«
Zwei bemerkenswerte Paare
Die erste Woche nach Burkes Wiedersehen mit San Francisco brachte keine neuen Anhaltspunkte für den Grund seiner Amnesie. Nachdem es im Washington Square Bar & Grill zu einer besonders degoutanten Rote-Rosen-Szene gekommen war, entschied sich Mary Ann noch am selben Abend, einen neuen Schlachtplan ins Spiel zu bringen.
»Weißt du«, sagte sie beiläufig, als sie mit Burke ins Bett krabbelte, »vielleicht haben wir die ganze Geschichte bisher falsch angepackt.«
Er grinste sie an. »Meinst du, wir sollten in Zukunft immer Kotzbeutel dabeihaben?«
»Burke! Mehr Ernst, ja?«
»Zu Befehl.«
»Der springende Punkt ist doch, daß wir jeder Rose und jedem Steg immer nur ausgewichen sind. Wenigstens haben wir es versucht. Und je länger wir das tun, desto länger weichen wir auch dem Grund für deine Amnesie aus.«
»Was mich nicht gerade stört.«
Sie runzelte die Stirn. »Das meinst du nicht ernst. Ich weiß, daß du das nicht ernst meinst.«
Er zuckte mit den Schultern. »Komm endlich zum Schluß.«
»Na ja, ich meine bloß, daß wir uns … damit beschäftigen sollten. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Was soll ich machen? In einem Rosengarten zelten?«
»Na ja … Ja, so was in der Art.«
»Nie im Leben.«
»Sieh mal, Burke: In South of Market gibt es den San Francisco Flower Mart. Das ist der Großmarkt, wo die Blumenhändler ihre Ware holen.«
»Und das sicher schon um fünf Uhr früh.«
»Um drei.«
»Aua.«
»Wir könnten die Nacht durchmachen und uns eine Kneipe suchen, wo es Zwiebelsuppe gibt – wie es die Leute früher immer auf dem Blumenmarkt von Paris gemacht haben. Das könnte ein richtiges Abenteuer …«
»Jetzt hast du sie wirklich nicht mehr alle.«
»Begreifst du denn nicht, Burke? Wenn wir dich vielen Rosen aussetzen, Tausenden, dann haben wir vielleicht Glück und … was weiß ich … schließen das kurz, was dich so plagt.«
»Toll.«
»Es wär ja nicht aus heiterem Himmel. Du wüßtest es doch schon vorher. Du könntest dich darauf einstellen. Und ich würde die ganze Zeit bei dir sein. Hört sich das nicht vernünftig an?«
Er starrte sie ungläubig an. »Und wann sollen wir diese Show abziehen?«
»Na ja …«
»Heute nacht, was?«
Sie nickte.
Er schlug die Decken zurück und sprang aus dem Bett.
»Wo willst du hin?«
»In meine Wohnung.«
»Burke, ich wollte dich nicht …«
»Ich muß mich doch umziehen, oder? Tun es Jeans auch? Oder brauche ich für Les Halles einen Smoking?«
»Komm wieder zu mir ins Bett.«
»Warum?«
»Wenn ich dich heute nacht defloriere«, sagte sie grinsend, »dann kannst du mir den Gefallen doch wohl auch tun.«
Es war inzwischen Mitternacht. Eine Treppe tiefer, im ersten Stock der Barbary Lane 28, lagen Michael und Jon im Bett und schauten sich eine
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