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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Die Amnesie zum Beispiel. Vielleicht haben sie ihn deprogrammieren lassen oder so. Aber vielleicht haben ihn auch seine Eltern deprogrammieren lassen. Wie einen Munie.«
    »Ach, Mouse!« Die Möglichkeit war nicht einmal ihr in den Sinn gekommen.
    »Es könnte doch sein.«
    »Glaubst du, sie würden so was tun? Ohne ihm was davon zu sagen, meine ich.«
    Er zuckte lächelnd mit den Schultern. »Meine Eltern würden mich liebend gern deprogrammieren lassen. Hmmm … Wer weiß, was für Folgen so was hat. Vielleicht sperren sie dich in eine gepolsterte Zelle, die mit funktioneller Musik beschallt wird, und verpassen deinem Schwanz und deinen Eiern jedesmal einen Elektroschock, wenn du auf einen Bette-Davis-Film positiv reagierst.«
    »Mouse, hast du denn von deinen Eltern schon was gehört?«
    »Sozusagen. Meine Mutter hat geschrieben, daß meine (Sünde wider den Herrn‹ meinen Vater ins Grab bringen wird, und mein Vater hat geschrieben, daß sie meine Mutter ins Grab bringen wird.« Er lächelte matt. »Sie machen sich schreckliche Sorgen umeinander.«
     
    Am späten Nachmittag kam Jon ins St. Sebastian’s.
    »Ratet mal, wer bald auf die Entbindungsstation kommt.«
    »Wer?« fragten Mary Ann und Michael im Chor.
    »DeDe Day. Sie ist schon fast eine Woche über der Zeit. Und das mit Zwillingen.«
    Mary Ann runzelte die Stirn. »Irgendwie ist das traurig.«
    »Warum?«
    »Na ja, so ohne Vater, meine ich.«
    Jon tat die Bemerkung mit einem Schulterzucken ab. Beauchamp Day war für die Institution der Vaterschaft kein Verlust gewesen. »Ich habe diesen Kerl auf dem Parkplatz gesehen«, sagte er, um das Thema zu wechseln.
    »Welchen?«
    »Den Kerl vom Blumenladen. Ich kann es dir nicht verdenken, daß du dich vor ihm erschrocken hast.«
    »Warum?« Mary Ann spürte, wie die Haare auf ihren Unterarmen prickelten.
    »Na ja, er hat mich angesehen, als hätte ich ihn dabei erwischt, wie er gerade eine Nonne vergewaltigt oder so.«
    »Was hat er gemacht?«
    Jon zuckte mit den Schultern. »Nichts, das ich hätte sehen können. Er hat eine Kühlbox in den Kofferraum seines Autos geladen.«
    »Eine Kühlbox?«
    »Du weißt schon … so ein Ding aus Styropor. Wie man’s für Bier nimmt.«
    »Wo wir gerade beim Thema sind«, schaltete Michael sich ein, »hat mir mein Gynäkologe nicht versprochen, daß er mir heute was Nettes zum Vollknallen mitbringt?«
    Jon lachte und versicherte sich dann, daß die Tür zu war. Er überreichte Michael einen Joint aus Mrs. Madrigals bestem Eigenanbau. »Den könnt ihr zwei rauchen«, sagte er, »aber paßt auf, daß die Tür zu ist, und wartet, bis ich aus dem Haus bin.«
    Mary Ann hörte ihn überhaupt nicht.
    Eine Kühlbox aus Styropor?

Vater ist der Beste
    Mona spülte wütend das Geschirr, als Mrs. Madrigal in die Küche kam.
    »Bist du verärgert über mich, Liebes?«
    Mona runzelte die Stirn. »Nein. Natürlich nicht.«
    »Auf irgendwen bist du doch wütend. Etwa auf Brian?«
    Schweigen.
    »Hast du nicht gesagt, euer Essen war ganz reizend?«
    »Er ist total verkorkst«, stellte Mona kategorisch fest. Mrs. Madrigal griff nach einem Geschirrtuch, stellte sich neben ihre Tochter und fing an abzutrocknen. »Ich weiß«, sagte sie ungerührt. »Aber ich hatte gedacht, daß er einen ganz vorzüglichen Schwiegersohn abgeben würde – mit oder ohne Ehesakrament. Du brauchst einen Freund, Mona.«
    »Auf den kann ich aber verzichten.«
    »Mein Gott, was hat er denn angestellt?«
    Mona drehte den Wasserhahn zu, trocknete sich die Hände ab und ließ sich auf einen Stuhl sacken. »Wir haben wirklich schön zusammen gegessen. Es war ganz toll, ja? Also bin ich am nächsten Abend noch mal zu ihm hochgegangen. Es war wohl schon spät, aber auch nicht so spät, und er hätte wenigstens durch die Tür rufen können oder so, wenn …« Sie unterbrach sich.
    »Wenn was?« fragte Mrs. Madrigal.
    »Wenn er jemand dahatte.«
    »Aha.«
    Mona schaute weg. Sie kochte vor Wut.
    »Woher weißt du, daß er überhaupt da war?« fragte Mrs. Madrigal.
    »Er war da. Ich hab gesehen, wie er nicht mal zehn Minuten davor hochgegangen ist.«.
    »Hatte er da jemanden mit?«
    »Nein, aber er hätte … Ach, ich weiß nicht. Reden wir nicht mehr davon, okay?«
    Mrs. Madrigal lächelte ihre Tochter gütig an, holte einen Stuhl und setzte sich neben sie. Sanft legte sie ihre Hand auf Monas Knie. »Erinnerst du dich an das Schild, das du nicht leiden kannst? Das vor Abbey Rents?«
    »Ja«, antwortete Mona verdrießlich.

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