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wieder ins Bett. Die Heftigkeit und Faszination in ihrem Liebesspiel machten es zum besten seit Wochen.
Hinterher machte Burke in der Küche etwas Milch warm, und sie tranken sie, aufrecht im Bett sitzend, aus demselben dampfenden Becher.
»Also, was ist jetzt mit deiner Theorie?« fragte Mary Ann.
Burke trank noch einen Schluck, bevor er antwortete. »Ich glaube, es könnte was mit Kokain zu tun haben.«
»Mit Kokain?« Was diese Droge anging, war Mary Ann immer noch sehr Cleveland-like.
»Ja. Eine Linie Koks, verstehst du? Der Kreuzungspunkt der Linien.«
»Aha.«
»Gefällt dir nicht, hm?«
»Aber warum sollte jemand ein Lied darüber singen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Hier singen die Leute doch über alles. Vielleicht hat ja eine Sekte …«
»Du glaubst, es war eine Sekte?« Der Gedanke war auch ihr schon gekommen, aber sie hatte es nicht gewagt, das Thema anzuschneiden. Burke wurde zunehmend empfindlicher, was seine im dunkeln liegende Vergangenheit anging.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte er.
»Und ob du es weißt. Du glaubst, daß es eine Sekte war.«
»Glauben tu ich gar nichts«, sagte er gereizt. »Ich rate. Ich rate, wie mein Leben ausgesehen haben könnte, und das ist beileibe kein Kinderspiel.«
»Ich weiß. Entschuldige.«
Er zog sie näher. »Ich wollte dich nicht anschnauzen.«
»Ich weiß.«
»Laß uns noch ein bißchen schlafen, okay?«
»Okay. Burke?«
»Ja?«
»In dem Traum … Erinnerst du dich noch, ob du … Ach, vergiß es. Es ist unwichtig.«
»Komm schon. Raus damit.«
»Ich habe mich gefragt … Kannst du dich erinnern, ob du gesungen hast?«
»Nein.«
»Du hast nicht gesungen.«
»Nein. Ich meine, ich kann mich nicht erinnern.«
Zum erstenmal war sie sich nicht sicher, ob sie ihm glaubte.
Michaels Theorie
Mary Ann verließ Burkes Wohnung nach dem Frühstück. Sie sagte ihm, sie sei etwas unruhig wegen ihrer Stelle bei Halcyon Communications. Sie müsse ein paar Anrufe machen, um die Geschäftsleitung daran zu erinnern, daß sie eine neue Aufgabe brauchte. Dieser unverhoffte Urlaub konnte nicht ewig dauern.
Damit sagte sie nur die halbe Wahrheit.
Nach einem kurzen Anruf bei Mildred (die ihr versicherte, daß der Verwaltungsrat in der darauffolgenden Woche einen neuen Chef bestimmen würde) wählte sie die Nummer des armenischen Restaurants Ararat und erkundigte sich, ob dort jemals ein gewisser Burke Andrew gearbeitet hatte.
Man habe diesen Namen noch nie gehört, erklärte ihr der Geschäftsführer.
Die Idee war natürlich dumm gewesen, aber das bescheuerte Gedicht, der Mann mit den Implantaten und die vertrackte Nervenprobe mit Burke und seinen Rosen machten ihr inzwischen schwer zu schaffen.
Burke wirkte seit mehreren Tagen gereizt. Dazu kam, daß seine Reizbarkeit anscheinend um so größer wurde, je tiefer Mary Ann in das Rätsel seiner Vergangenheit eintauchte. Sie fragte sich, ob seine Erinnerung schon so viel preisgab, daß er sich vor der endgültigen Aufdeckung ängstigte.
Erzählte er ihr alles, was er wußte?
Mary Ann erkannte, daß sie einen Verbündeten brauchte, einen unbeteiligten Dritten, der ihr beim Sortieren der Puzzleteile helfen konnte.
»Jemand zu Hause?«
Michael grinste ihr von seinem Krankenhausbett entgegen. »Nur ich und Merv.«
»Ach so … Ja.« Sie ging zum Bett, küßte ihn auf die Wange und heuchelte Interesse an der Fernsehshow. »Eva Gabor sieht immer so jung aus«, sagte sie lahm.
»Das machen die Wäscheklammern.«
»Was?«
»Man hat ihr Wäscheklammern verpaßt.« Mit beiden Händen kniff Michael die Kopfhaut hinter den Schläfen zusammen. »Hier … und hier. Sie passen unter ihre Eva-Gabor-Perücken.«
Mary Ann kicherte. »Ach, Mouse … Du hast mir so gefehlt!« Sie setzte sich auf die Bettkante und zupfte an seinen Haaren. »Du wirst schon ganz struppig«, sagte sie. Er griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. »Wie geht’s unserem alten Mister Geheimnisumwoben?« wollte er wissen.
Mary Ann stöhnte leise. »Es wird jeden Tag bizarrer.« Sie erzählte ihm von dem Traumgedicht, von der leichten Veränderung in Burkes Verhalten und von ihrer zunehmenden Furcht, daß sie Burke mit ihrer Amateurschnüffelei allmählich auf die Nerven ging.
Michaels Augen glänzten. »Sag das Gedicht noch mal auf.«
Sie wiederholte es. »Was hältst du davon?«
»Das riecht mir ganz nach Sekte.«
»Ich hab schon befürchtet, daß du so was sagst.«
»Na ja, es würde eine Menge erklären.
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