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… entschuldigen Sie. Der Büroleiter meinte, daß Sie mir vielleicht …«
Sein Blick klebte weiter an den Zeichen auf dem Bildschirm. »Scheiße, Kacke, Mist!«
»Es tut mir leid, wenn ich einen schlechten Moment erwischt habe.«
»Sie waren nicht gemeint.« Er schaltete die Maschine aus, drehte sich auf seinem Bürostuhl zu ihr um und schenkte ihr ein müdes Lächeln. »Wie viele Wörter kann man über Patty Hearst schon schreiben, hm?«
Mary Ann lächelte auch. »Ich hab’s nie probiert.«
»Dann lassen Sie’s auch dabei. Von der puren Spaltenlänge her nervt dieses Weibsbild mehr als Angela Davis, Charlie Manson und der Sternzeichen-Mörder zusammen!«
»Es muß aber doch irgendwie aufregend sein.«
Der Reporter schnaubte verächtlich. »Ich habe mich für Buffalo beworben. Ich habe sie angebettelt, daß sie mich nach Buffalo schicken sollen. Aber nein! Diese Arschlöcher in New York waren der Meinung, daß der gute alte Jack Lederer ganz wunderbar nach San Francisco paßt.« Er kramte eine More heraus, zündete sie an und warf das Streichholz auf den Boden. »Also, was kann ich für Sie tun?«
»Der Büroleiter sagt, Sie hätten früher mit …«
»Krallen Sie sich einen Stuhl.«
Sie gehorchte und zwängte sich auf den etwas ungemütlichen Platz zwischen seinem Schreibtisch und einem Aktenschrank, der die Beschriftung »Massenmorde etc.« trug.
»Der Büroleiter sagt, Sie hätten früher mit einem Kerl namens Burke Andrew gearbeitet.«
Er dachte einen Augenblick nach. »Stimmt. Das ist schon zwei, nein, mindestens drei Jahre her. Aber nur kurz. Höchstens vier oder fünf Monate. Er hat’s nicht gepackt.«
»Hat man ihn rausgeworfen?«
»Nee, er ist gegangen. Er war einfach zu langsam. Da konnte rund um ihn die Welt in Scherben gehn, und er hat stundenlang an einem fesselnden Vorspann rumgefeilt. War aber ganz nett, würd ich sagen. Ein Freund von Ihnen?«
»Ja.«
»Ist er verschollen oder so?«
»Nein, warum?«
Er zuckte mit den Schultern. »Sind wir hier nicht in der richtigen Stadt? Um mal so eben von der Bildfläche zu verschwinden?«
Mary Ann lächelte, obwohl es sie innerlich schauderte. Sie hatte schon seit ewigen Zeiten nicht mehr an Norman Neal Williams gedacht. »Burke hat sein Gedächtnis verloren, Mr. Lederer. Er kann sich an nichts erinnern, was nach seiner Zeit hier in der Agentur passiert ist. Ich hoffte, Sie könnten mir vielleicht …«
Der Reporter pfiff durch die Zähne. »Ist ja ’ne richtige Seifenoper!«
»Wem sagen Sie das.«
»Und ich soll Ihnen die fehlenden Teile liefern, was?«
Sie nickte. »Hat er Ihnen gesagt, wo er nach der AP hin wollte? Hat er von seinen Plänen gesprochen?«
»Saugen Sie sich das auch nicht aus den Fingern?«
»Nein! Warum sollte ich? Schauen Sie, der Büroleiter hat mir gesagt, daß Sie und Burke oft zusammengearbeitet haben.«
»Ja. Wir haben zusammen Nachtdienst gemacht. Aber er hat nie über privaten Kram geredet.«
»Als er noch hier war, hat er da jemals Geschichten über Sekten geschrieben?«
Jack Lederer schüttelte den Kopf. »Die Spinner sind mein Ressort, Schätzchen.« Er grinste schmierig. »Sie denken, die Munies haben ihn sich geschnappt, hm?«
Sie ging nicht darauf ein. »Halten Sie es für möglich, daß er …«
»Wann hat’s ihn überhaupt erwischt mit dieser Amnesie?«
»Vor zirka drei Monaten hat ihn die Polizei im Golden Gate Park gefunden. Er war umgekippt oder so.«
Der Reporter riß eine Schreibtischschublade auf und zerrte ein Spiralheft heraus. »Ich glaube, es war … Nein, es war noch früher … ziemlich genau vor …« Er blätterte in dem Notizheft herum. »Es war vor fünf Monaten, da hab ich Ihren Freund abends mal kurz im Lefty O’Doul’s getroffen. Er hat mir erzählt, daß er als Freier arbeitet und daß ich mich vor Neid in den Arsch beißen kann, weil er hinter einer wirklich irren Sache her ist.«
Mary Anns Hirn arbeitete hektisch. »Soll das heißen, er war immer noch Reporter?«
Der AP-Mann grinste überheblich. »Er hat frei gearbeitet. Das ist ein Unterschied. Die Freien reden immer nur Stuß.« Er schaute wieder in sein Notizheft. »Ja. Da haben wir’s doch. ›Transsubstantiation.‹«
»Wie? Ich fürchte, ich …«
»Ja. Ich auch nicht. Ich hab Ihren Freund gefragt, ob seine angeblich irre Story auch Substanz hat, aber er hat nur gelacht und gesagt: › Trans substantiation trifft’s schon eher.‹ Als ich ihn gefragt hab, was das denn heißen soll, hat er seinen Drink
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