Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit
war so gemütlich, dass man sich wie in einem Club fühlte, und nur Liebhabern bekannt. Es war eine Buchhandlung der Sonderklasse, doch es gab Menschen, die in den Fünfzigern in Des Moines aufwuchsen und nie erfuhren, dass Younkers überhaupt eine besaß.
Das Allerheiligste indes war der Tea Room; dort gingen liebende Mütter mit ihren Töchtern hin, um ihrer Einkauferei einen Hauch Eleganz zu verleihen. Mich interessierte der Tea Room nicht im Geringsten, doch dann erzählte meine Schwester einmal beiläufig von einem Ritual dort. Offenbar durften junge Besucher in eine Holzkiste mit kleinen, sämtlich wunderschön in weißes Seidenpapier gewickelten und mit einem Geschenkband versehenen Geschenken langen und sich zum ewigen Andenken an die feierliche Gelegenheit eines aussuchen. Einmal gab mir meine Schwester sogar ein Präsent, das sie bekommen hatte, aus dem sie sich aber nichts machte – eine Pferdekutsche aus Spritzguss. Sie war kaum länger als sechs Zentimeter, aber bis ins kleinste Detail hervorragend ausgeführt. Man konnte die Türen aufmachen, die Räder drehten sich und ein winziger Kutscher hatte dünne Metallzügel in der Hand. Das ganze Ding war offensichtlich von einem emsigen, unterbezahlten Menschen von der besiegten Seite des Pazifischen Ozeans mit der Hand bemalt worden. Etwas so Feines hatte ich noch nie gesehen, geschweige denn, besessen.
Noch Jahre danach flehte ich meine Mutter und meine Schwester immer wieder an, mich mitzunehmen, wenn sie in den Tea Room gingen, aber sie behaupteten immer vage, sie gingen nicht mehr so gern in den Tea Room oder müssten so viel einkaufen, dass sie keine Mittagspause einlegen könnten. (Erst Jahre später entdeckte ich, dass sie natürlich jede Woche hingingen; es gehörte zu den geheimen Frauensachen, die Mütter und Töchter miteinander verband – wie die Periode haben oder BHs anprobieren.) Endlich aber kam ein Tag – ich war vielleicht acht oder neun –, an dem meine Schwester nicht da war und meine Mutter mich mit zum Einkaufen in die Stadt nahm. »Sollen wir in den Tea Room gehen?«, fragte sie mich.
Derart begeistert habe ich wahrscheinlich noch nie eine Einladung angenommen. Wir fuhren mit dem Lift zu einem Stockwerk hinunter, von dem ich nicht einmal wusste, dass es das bei Younkers gab. Der Tea Room war der eleganteste Ort, den ich je gesehen hatte – als sei ein Staatsgemach aus dem Buckingham-Palast auf wundersame Weise in den Mittleren Westen der Vereinigten Staaten verlegt worden. Alles war steifleinern und stilvoll und ruhig. Man hörte gedämpft gehobene Unterhaltungsmusik sowie leises Klirren von Besteck auf Porzellan und behutsam ausgeschenktem Eiswasser. Das Essen war mir natürlich vollkommen egal. Ich wartete nur auf den Moment, in dem ich zu der Spielzeugkiste gehen und mir was aussuchen durfte.
Als es dann so weit war, konnte ich mich ewig lange nicht entscheiden. Jedes kleine weiße Päckchen sah so perfekt und verheißungsvoll aus. Schließlich ergriff ich ein mittelgroßes, mittelschweres und wagte es ganz leicht zu schütteln. Etwas darin rasselte und klang, als könnte es wieder eine Figur aus Eisenguss sein. Ich nahm es mit zu meinem Platz und wickelte es sorgsam aus. Es war eine winzige Puppe – ein Indianerbaby in einem Tragegestell, wunderschön gearbeitet, aber offensichtlich für ein Mädchen. Mit dem Püppchen und dem ramponierten Einwickelpapier ging ich zu dem leicht zurückgeblieben wirkenden Burschen, der die Spielzeugkiste unter seiner Obhut hatte.
»Anscheinend habe ich eine Puppe gekriegt«, sagte ich mit beinahe ironischem Kichern.
Er schaute sie genau an. »Das is aber ’ne Schande, weil du nämlich nur einmal an die Geschenkekiste darfst.«
»Ja, aber es ist eine Puppe «, sagte ich. »Für ein Mädchen.«
»Dann musst du dir eine kleine Freundin anschaffen und sie ihr schenken. Na, wie wär’s?«, erwiderte er und schenkte mir seinerseits ein breites Grinsen und ein unseliges Augenzwinkern.
Es waren leider die letzten Worte, die der arme Mann sprach. Einen Moment später war er nur noch ein kleiner erstickter Schrei und ein schwelender Fleck auf dem Teppich.
Er hatte eine wichtige Lektion zu spät gelernt. Man sollte sich nie mit dem Thunderbolt Kid anlegen.
II
Willkommen in der Welt des Kindes
Detroit, Mich. (AP) – Großartige Neuigkeiten für Jungs! Ein bekannter Arzt hat das Recht von Jungen verteidigt, sich schmutzig zu machen. Dr. Harvey Flack, Chefredakteur der Zeitschrift Family
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