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Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Titel: Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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einen oder anderen Art. In New York, schreibt Oakley, musste man einen Treueeid leisten, wenn man einen Angelschein haben wollte. In Indiana vereidigte man Profiringer. Der Communist Control Act von 1954 erklärte es zur strafbaren Handung in allen Bundesstaaten, kommunistische Gedanken zu verbreiten, einerlei, mit welchen Mitteln, auch nicht mit Signalmasten. In Connecticut verstieß man gegen das Gesetz, wenn man die Regierung kritisierte oder schlecht über die Armee oder die amerikanische Flagge sprach. In Texas konnte man für zwanzig Jahre hinter Gitter wandern, wenn man Kommunist war. In Birmingham, Alabama, war es schon fast gesetzwidrig, im Gespräch mit einem Kommunisten gesehen zu werden.
    Der Ausschuss für Unamerikanische Umtriebe gab Millionen Flugblätter heraus, die den Titel trugen »Einhundert Dinge, die du über den Kommunismus wissen solltest« und im Einzelnen auflisteten, auf was man im Verhalten der Nachbarn, Freunde und Familie achten sollte. Der angesehene Wanderprediger Billy Graham erklärte, dass über 1000 anständig klingende amerikanische Organisationen in Wirklichkeit Deckadressen für kommunistische Organisationen seien. Rudolf Flesch, Autor des Bestsellers Why Johnny Can’t Read , behauptete, dass man die Demokratie unterminiere und dem Kommunismus den Weg ebne, wenn man in den Schulen nicht mit der phonetischen Methode alphabetisiere. Westbrook Pegler, Kolumnist gleich mehrerer Zeitungen, schlug vor, jeden, den man überführt habe, irgendwann in seinem Leben einmal Kommunist gewesen zu sein, ohne viel Federlesens ins Jenseits zu befördern. Die Befindlichkeiten waren derart, sagt David Halberstam, dass General Motors einem neu eingestellten russischen Autodesigner namens Zora Arkus-Duntov in Pressemitteilungen eine »belgische Abstammung« bescheinigte, was vollkommen frei erfunden war.
    Keiner beutete die Angst erfolgreicher aus als Joseph R. McCarthy, der republikanische Senator aus Wisconsin. 1950 behauptete er in einer Rede in Wheeling, West Virginia, er habe eine Liste von 205 Kommunisten in der Tasche, die im Außenministerium arbeiteten. Am nächsten Tag behauptete er, er habe noch eine Liste mit 57 Namen. In den nächsten vier Jahren wedelte McCarthy mit vielen Listen, auf denen angeblich immer wieder eine andere Anzahl kommunistischer Agenten stand. Mit seinem feurigen Gefasel half er, das Leben vieler Menschen zu zerstören, zeigte aber keine einzige der versprochenen Listen. Keine Beweise vorzulegen wurde zum Trend.
    Andere brachten weitere Vorurteile ins Spiel. John Rankin, lang gedienter Kongressabgeordneter aus Mississippi, gab zu bedenken: »Vergessen Sie nicht, der Kommunismus ist jüddisch. Soweit ich weiß, sind alle Mitglieder des Politbüros um Stalin entweder jüddisch oder mit Juden verheiratet, einschließlich Stalin selbst.« Im Vergleich zu solchen Männern wirkte McCarthy beinahe moderat und einigermaßen zurechnungsfähig.
    Es herrschte eine derartige Hysterie, dass man nicht einmal etwas getan haben musste, um Ärger zu kriegen. 1950 veröffentlichten drei ehemalige FBI-Agenten ein Buch mit dem Titel Red Channels: The Report of Communist Influence in Radio and Television , in dem sie 151 berühmte Persönlichkeiten – unter anderem Leonard Bernstein, Lee J.Cobb, Burgess Meredith, Orson Welles, Edward G. Robinson und die Stripperin Gypsy Rose Lee – der verschiedensten aufwieglerischen Umtriebe beschuldigten. Zu den skandalösen Missetaten, derer die Künstler angeklagt wurden, gehörte, dass sie öffentlich gegen religiöse Intoleranz gesprochen hatten, den Faschismus ablehnten und für den Weltfrieden und die Vereinten Nationen waren. Keiner hatte irgendeine Verbindung zur Kommunistischen Partei oder je Sympathien für den Kommunismus bekundet. Trotzdem konnten viele von ihnen noch Jahre danach keine Arbeit finden, wenn sie sich nicht (wie Edward G. Robinson) doch noch bereit erklärten, als beflissener Zeuge vor dem Ausschuss zu erscheinen und Namen zu nennen.
    Überhaupt irgendetwas zu tun, das Kommunisten half, war im Prinzip illegal. 1951 durfte Dr. Ernest Chain, ein eingebürgerter Brite, der sechs Jahre zuvor den Nobelpreis erhalten hatte, weil er an der Entwicklung des Penicillins beteiligt gewesen war, nicht mehr in die Vereinigten Staaten einreisen, weil er kurz zuvor mit der Weltgesundheitsorganisation in der Tschechoslowakei gewesen war, wo mit Hilfe der WHO eine Penicillinfabrik errichtet werden sollte. Humanitäre Hilfe war offenbar nur

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