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Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Titel: Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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und konnte sich stets auf die Unterstützung einer Reihe strenger Diktatoren verlassen.
    Etwa 85 Prozent ihres Landes ließ die United Fruit mehr oder weniger ständig brachliegen. Dadurch blieben die Obstpreise hoch und die Guatemalteken arm. Arbenz, der Sohn Schweizer Einwanderer und in gewisser Weise ein Idealist, fand das ungerecht und beschloss, das Land demokratischer zu machen. Er führte freie Wahlen ein, beendete die Rassendiskriminierung, unterstützte eine freie Presse, setzte die Vierzigstundenwoche durch, legalisierte die Gewerkschaften und machte der Korruption in Regierung und Verwaltung ein Ende.
    Selbstverständlich liebten die meisten Menschen ihn. Bei dem Versuch, die Armut zu verringern, erarbeitete er einen Plan zur Verstaatlichung eines Großteils des brachliegenden Ackerlandes zu einem fairen Preis – einschließlich der 1700 Morgen, die ihm selbst gehörten. Das Land sollte in kleinen Parzellen an 100 000 landlose Bauern verteilt werden. Zu diesem Zweck enteignete Arbenz’ Regierung 400 000 Morgen Land der United Fruit und bot als Entschädigung die Summe, die das Unternehmen als Wert bei der Steuererklärung angegeben hatte – 1 185 000 Dollar.
    Da kam United Fruit flugs zu dem Schluss, das Land sei eigentlich 16 Millionen Dollar wert, doch diese Summe konnte die guatemaltekische Regierung natürlich nicht aufbringen. Als Arbenz die Forderung nach einer höheren Entschädigungssumme der United Fruit Company ablehnte, beschwerte sich die Firma bei der US-amerikanischen Regierung, die prompt einen Putsch unterstützte.
    1954 floh Arbenz aus seinem Heimatland und ein neuer, gefügigerer Mann names Carlos Castillo wurde eingesetzt. Um ihm den Anfang zu erleichtern, gab ihm der CIA eine Liste mit 70 000 »fragwürdigen Individuen« – Lehrern, Ärzten, Regierungsangestellten, Gewerkschaftsfunktionären, Priestern –, die an den Reformen in dem Glauben mitgearbeitet hatten, dass Demokratie etwas Gutes sei. Tausende von ihnen wurden nie wieder gesehen.
    Und in dieser ernüchternden Stimmung wollen wir lieber wieder in die Welt des Kindes zurückkehren, deren Bewohner vielleicht klein und oft ungeheuer dumm sind, aber vergleichsweise zivilisiert.

VIII

Schulzeit

    Der Schüler Edward Mulrooney wurde im kalifornischen Pasadena verhaftet, nachdem er eine Bombe auf das Haus seines Psychologielehrers geworfen und einen Zettel hinterlassen hatte, auf dem stand: »Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Haus bombardiert oder Ihre Fenster rausgeschossen werden, zensieren Sie gerecht und schreiben Sie die Aufgaben an die Tafel – oder ist das zu viel verlangt?«
Time , 16. April 1956

    Bild 13
    D ie Greenwood School, meine Grundschule, war ein wunderbares, für ein kleines Kind riesiges altes Gebäude, eine Burg aus Backsteinen. 1901 erbaut, befand sie sich am Ende einer Seitenstraße der Grand Avenue mit außergewöhnlich großen, eleganten Häusern. Das gesamte Viertel roch angenehm nach altem Geld.
    Der erste Gang in die Greenwood war für mich als Fünfjährigen sowohl die furchteinflößendste als auch die aufregendste Erfahrung meines Lebens. Die Eingangstüren wirkten etwa zwanzigmal höher als normale Türen, und innen war alles in ähnlich imposantem Maßstab gebaut, einschließlich der Lehrer. Die Schule mit allem Drum und Dran war einschüchternd und faszinierend zugleich.
    Ich glaube, es war die hübscheste Grundschule, die ich je gesehen habe. Alles dort, der kühle Keramiktrinkbrunnen, die blank gebohnerten Gänge, die Garderoben mit ihren uralten, hübsch in regelmäßigen Abständen voneinander angebrachten Kleiderhaken, die riesigen klackernden Heizkörper mit ihren kunstvollen, eingeprägten Mustern wie Eisenadern, die Schränke mit den Glasscheiben, alles knirschte altehrwürdig schön, war solide, funktional und stilvoll. Die Schule war zu einer Zeit von Handwerkern erbaut und eingerichtet worden, als Qualität noch zählte und Generationen von lernbegierigen Kindern die Atmosphäre prägten. Wenn ich nicht so viel Zeit damit hätte verbringen müssen, Lehrer zu vaporisieren, hätte ich die Schule geliebt.
    Trotzdem, ich mochte das Gebäude. An dieser uralten, längst untergegangenen Welt um die Mitte des 20. Jahrhunderts war ja so herrlich, dass für Kinder gedachte Einrichtungen oft nur kleinere Versionen derjenigen aus der Erwachsenenwelt waren. Sie können sich nicht vorstellen, wie viel toller sie dadurch wurden. Unser Little-League-Baseballfeld war zum Beispiel ein richtiges

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