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Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Titel: Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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dann erlaubt, wenn die, die gerettet wurden, an die freie Marktwirtschaft glaubten. Auch amerikanische Staatsbürger stellten fest, dass ihnen das Reisen verboten wurde. Linus Pauling, immerhin zweifacher Nobelpreisträger, wurde am Flughafen Idlewild in New York daran gehindert, das Flugzeug nach Großbritannien zu besteigen, wo er von der Royal Society geehrt werden sollte. Sein Pass wurde eingezogen, weil er ein-, zweimal einen liberalen Gedanken geäußert hatte.
    Diejenigen, die keine gebürtigen US-Amerikaner waren, traf es noch schlimmer. Nachdem Beamte der Einwanderungsbehörde erfahren hatten, dass ein in Finnland geborener Bürger namens William Heikkilin in seiner Jugend kurze Zeit der Kommunistischen Partei angehört hatte, spürten sie ihn in San Francisco auf, verhafteten ihn auf dem Weg von der Arbeit nach Hause und packten ihn in ein Flugzeug nach Europa mit nichts als einem Dollar Kleingeld und den Kleidern, die er am Leibe trug. Erst als sein Flugzeug am nächsten Tag gelandet war, teilten sie seiner verzweifelten Frau mit, dass ihr Mann abgeschoben worden war. Sie weigerten sich ihr zu sagen, wohin.
    In der vielleicht surrealsten Episode des Ganzen sagte man dem Dramatiker Arthur Miller – dem eine Rüge des Kongresses und mögliche Gefängnishaft bevorstanden, weil er Freunde und Theaterkollegen nicht verraten wollte –, dass man die Anklagen gegen ihn fallen lassen werde, wenn er es ermögliche, dass Francis E. Walter, der Vorsitzende des Ausschusses, mit Millers berühmter, appetitlicher Frau Marilyn Monroe fotografiert werde.
    1954 machte McCarthy sich endlich selbst den Garaus. Er klagte General George Marshall, den Mann hinter dem Marshall-Plan und von unumstrittener Rechtschaffenheit, des Landesverrats an, aber der Vorwurf stellte sich rasch als grotesk heraus. Dann legte er sich mit der gesamten Armee der Vereinigten Staaten an und drohte Dutzende subversive höhere Offiziere zu entlarven, die die Armee wissentlich, behauptete er, in ihren Reihen schütze. In mehreren vom Fernsehen übertragenen Anhörungen, die sich über 36 Tage im Frühjahr 1954 hinzogen und als die ›Army-McCarthy-Anhörungen‹ bekannt wurden, entlarvte er sich als schurigelnder, polternder Narr erster Güte, der nicht den Fetzen eines Beweises gegen irgendjemanden hatte – aber so war er ja schon immer gewesen. Der Großteil der Nation brauchte eben nur lange, um das zu begreifen.
    Ende des Jahres wurde er vom Senat streng getadelt – eine ungeheure Demütigung. Drei Jahre später starb er in Ungnade. Tatsache aber ist: Wäre er auch nur ein winziges bisschen klüger oder liebenswürdiger gewesen, hätte er gut und gern Präsident werden können. Mit McCarthys Fall kam der Feldzug gegen den Kommunismus indes nicht zum Stillstand. Immerhin arbeiteten 1959 immer noch 400 Agenten in dem New Yorker Büro des FBI Vollzeit daran, Kommunisten im Leben der Vereinigten Staaten aufzustöbern, schreibt Kenneth O’Reilly in Hoover and the Un-Americans .
    Dank unserer maßlosen Angst vor Kommunismus im Inneren und Äußeren wurden wir der erste Staat in der modernen Geschichte, der in Friedenszeiten eine Kriegswirtschaft aufbaute. Die jährlichen Ausgaben für die Verteidigung betrugen in den fünfziger Jahren zwischen 40 und 53 Milliarden – mehr als die gesamten Regierungsausgaben zu Beginn der Dekade. Während der acht Jahre der Präsidentschaft Eisenhowers blätterten die Vereinigten Staaten insgesamt 350 Milliarden Dollar für die Verteidigung hin. Darüber hinaus bestanden 90 Prozent unserer Entwicklungshilfe in Ausgaben für das Militär. Wir wollten nicht nur uns selbst bewaffnen, sondern sicherstellen, dass auch alle Freunde und Verbündeten bewaffnet waren.
    Allerdings musste man oft nur unseren wirtschaftlichen Interessen in die Quere kommen, um sich unsere Feindschaft zuzuziehen und eine Menge Ärger aufzuhalsen. 1950 wählte Guatemala eine Regierung, die Reformen durchsetzen wollte – »die demokratischste Regierung, die Guatemala je hatte«, sagt der Historiker Howard Zinn – und an deren Spitze Jacobo Arbenz stand, ein gebildeter Großgrundbesitzer mit guten Absichten. Seine Wahl war ein Schlag für die United Fruit Company, die Guatemala seit dem 19. Jahrhundert wie ihren Feudalbesitz regierte. Das Unternehmen besaß fast alles, was im Land wichtig war – die Häfen, die Eisenbahn, das Nachrichten- und Kommunikationsnetz, die Banken, die Läden und etwa 550 000 Morgen Ackerland –, bezahlte wenig Steuern

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