Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit
im All und die Aufregung galt nun etwas sehr Realem. Wir befürchteten, dass sie gigantische Raumstationen auf einer geostationären Umlaufbahn direkt über uns errichten würden, weit jenseits der Reichweite unserer mückengroßen Flugzeuge und kläglich puffenden Abwehrgeschütze, und dass sie von diesen bequemen Aussichtsplattformen sofort Bomben auf uns werfen würden, wenn wir sie ärgerten.
Das ging aber gar nicht. Weil sich die Erde dreht, kann man aus dem Weltraum nicht einfach Bomben fallen lassen wie Wasserballons. Zum einen würden sie nicht fallen, sondern auf die Erdumlaufbahn geraten. Man müsste sie also zumindest ab schießen , was ein Ausmaß an Abschussgenauigkeit erfordert hätte, über das man in den Fünfzigern schlicht noch nicht verfügte. Und sowieso: Bei einer Erdumdrehung von (mehr oder weniger) 1000 Stundenkilometern müsste man extrem präzise Flugbahnen beschreiben können, um ein bestimmtes Ziel zu treffen. Eine aus dem Weltall abgeschossene Bombe würde in Wirklichkeit viel eher auf einem Weizenfeld in Kansas landen oder einem anderen beliebigen Punkt auf der Erde, als das Dach des Weißen Hauses durchschlagen. Wenn es je eine realistische Alternative gewesen wäre, sich gegenseitig aus dem All zu bombardieren, dann, glauben Sie mir, hätten wir da oben Hunderte von Raumstationen.
Das aber wussten in den 1950ern nur die Weltraumwissenschaftler, und sie sagten es uns nicht, weil wir ihnen sonst kein Geld mehr gegeben hätten, ihre ehrgeizigen Programme zu entwickeln. Illustrierte und Sonntagsbeilagen brachten atemberaubende Berichte über die Gefahr von oben, weil ihre Reporter es entweder nicht besser wussten oder es nicht besser wissen wollten und weil sie diese fantastischen Bilder von Chesley Bonestell hatten, die man einfach zeigen musste, weil die zu betrachten eine wahre Lust war.
Die Zerstörung der Erde wurde also in diesem kurios gespaltenen Jahrzehnt sowohl eine permanente Bedrohung als auch Anlass zu fröhlicher Beschäftigung. Amtliche Filme zeigten uns, dass Privatatombunker einen nicht nur schützten, sondern auch Spaß machten, wenn Mom und Dad und Chip und Skip dort im Untergrund möglicherweise auf Jahre hinaus zusammen in einer Bude hausten. Warum auch nicht? Sie hatten jede Menge Trockennahrung und einen Stapel Brettspiele dabei. »Und Mom und Dad brauchen sich nie Sorgen zu machen, dass die Lichter ausgehen, denn sie haben einen praktischen Pedalgenerator und zwei kräftige junge Freiwillige mit reichlich Muskelkraft!« Außerdem war keine Schule! Ein Lebensstil, über den man doch einmal nachdenken sollte.
Denen, die keine Lust hatten, sich in den Untergrund zu verziehen, bot die Portland Cement Association eine Auswahl robuster »Häuser für das Atomzeitalter« an – spezielle »sprengresistente Ganzbetonhäuser«, die so gebaut waren, dass ihre Besitzer »die Detonationswelle einer Bombe mit einer Sprengkraft, die bis zu 20 000 Tonnen TNT entspricht, ab einer Entfernung von über einem Kilometer zum Bodennullpunkt« überleben würden. Die Russen mochten also gleich in der Nachbarschaft eine Bombe fallen lassen – man selbst konnte gemütlich zu Hause sitzen, die Abendzeitung lesen und kriegte kaum mit, dass ein Krieg im Gange war. Können Sie sich vorstellen, dass man ein solches Haus baut und nicht erleben möchte, wie gut es einem Atombombenangriff standhält? Natürlich nicht. Sollen die Widerlinge sie doch werfen! Wir sind bereit!
Und nicht nur die nukleare Zerstörung faszinierte und erregte uns. Auch die Filmwelt erinnerte uns daran, dass wir ebenso gut von fliegenden Untertassen oder steifbeinigen Aliens mit metallischen Stimmen und tödlichen Strahlengewehren angegriffen werden konnten, und machte uns mit hinreißenden Möglichkeiten der Verstümmelung bekannt, die mutierte Rieseninsekten, herumtappende Megakrabben, wiederbelebte Dinosaurier, Ungeheuer aus der Tiefe und eine wirklich stinksaure Fünfzehnmeterfrau, die 50-Foot-Woman, anrichten konnten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Leute glaubten, dass irgendetwas von alldem wirklich passieren würde – auch nicht die, die heute getreu republikanisch wählen –, doch Einzelnes, die Ufos und fliegenden Untertassen zum Beispiel, war damals weit glaubwürdiger als heute. Vergessen Sie nicht, es war die Epoche, in der man immer noch weithin glaubte, der Mars oder die Venus könnten bewohnt sein. Fast alles war möglich.
Selbst die seriöseren Zeitschriften wie Life und Look , die
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