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Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit

Titel: Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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dem machte, was es war, ist verschwunden.
    Da bleibt mir nur noch zu sagen, dass ich etwas wirklich Besonderes gesehen habe, kurz bevor es verschwand. Und das scheine ich heutzutage ziemlich oft zu sagen.

XI

Bange machen gilt nicht

    17 Stunden in der Leichenhalle gelegen – lebendig

Atlanta, Ga. (UP) – Eine alte Dame, die in ein Bestattungsinstitut gebracht worden war, um dort einbalsamiert zu werden, schlug 17 Stunden nach ihrer Einlieferung die Augen auf und verkündete: »Ich bin nicht tot.«
W. L. Murdaugh vom Bestattungsinstitut Murdaugh Brothers in Atlanta sagte, dass es zweien seiner Angestellten beinahe die Sprache verschlagen hätte.
Die Frau, eine gewisse Julia Stallings, 70, wirkte am Ende ihres langen Komas am Sonntagabend benommen, doch ansonsten in gutem Zustand, sagte Murdaugh.
Des Moines Tribune , 11. Mai 1953

    Bild 15
    A ls ich mir zum ersten und einzigen Mal einen Knochen brach, merkte ich auch zum ersten Mal, dass man sich auf Erwachsene nicht hundertprozentig verlassen kann. Ich war vier Jahre alt, turnte auf Arthur Bergens Klettergerüst, fiel herunter und brach mir das Bein.
    Arthur Bergen wohnte weiter oben in unserer Straße, war aber beim Zahnarzt oder sonstwo, als ich ihn besuchen wollte, und ich beschloss, mich ein wenig auf seinem neuen Klettergerüst zu tummeln, bevor ich wieder nach Hause ging.
    An den Sturz erinnere ich mich überhaupt nicht, weiß aber noch sehr deutlich, wie ich auf der feuchten Erde lag, das urplötzlich riesengroße Klettergerüst bedrohlich über mir und um mich herum, und dass ich mein rechtes Bein nicht mehr bewegen konnte. Ich weiß auch noch, dass ich den Kopf hob, an meinem Körper hinunter bis zu meinem Bein schaute und sah, dass es in einem ungewöhnlichen Winkel abgeknickt war – ja, einem gänzlich neuartigen Winkel. Unverzagt begann ich in den unterschiedlichsten Tonlagen um Hilfe zu rufen, doch niemand hörte mich. Schließlich gab ich es auf und döste ein bisschen.
    Irgendwann öffnete ich die Augen, und ein Mann in Uniform und spitzer Mütze schaute auf mich herunter. Die Sonne war direkt hinter ihm, so dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte; es war nur etwas Dunkles mit Mütze und darum herum grell leuchtendes Licht.
    »Hast du dir wehgetan, Junge?«, sagte er.
    »Ja, am Bein.«
    Das bedachte er eine Minute lang. »Da muss dir deine Mama Eis drauf legen. Kennst du Leute, die …«, er zog ein Klemmbrett zu Rate, »Maholovich heißen?«
    »Nein.«
    Er warf noch einmal einen Blick auf das Klemmbrett. »A.J. Maholovich. 3725 Elmwood Drive.«
    »Nein.«
    »Kommt dir gar nicht bekannt vor?«
    »Nein.«
    »Das hier ist aber der Elmwood Drive?«
    »Ja.«
    »Okay, Junge, danke.«
    »Es tut wirklich weh«, sagte ich. Doch weg war er.
    Ich schlief noch eine Runde. Nach einer Weile kam Mrs. Bergen die Einfahrt hochgefahren und lief mit vollen Lebensmitteltüten die Hintertreppe hinauf.
    »Du holst dir da eine Erkältung«, sagte sie fröhlich im Vorbeieilen.
    »Ich habe mir am Bein wehgetan.«
    Sie blieb stehen und dachte einen Moment lang nach. »Dann steh besser auf und lauf ein bisschen herum. Das ist am besten. Oh, das Telefon.« Sie eilte ins Haus.
    Ich wartete, dass sie zurückkam, aber sie kam nicht. »Hallo«, krächzte ich, mittlerweile eher schwächlich. »Hilfe.«
    Bergens Schwesterchen, klein und deshalb dumm und unzuverlässig, kam herbei und nahm mich kritisch in Augenschein.
    »Geh und hol deine Mama«, sagte ich. »Ich habe mir weh getan.«
    Sie schaute mein Bein wenn schon nicht mitleidig, so doch wenigstens verständnisvoll an. »Auie«, sagte sie.
    »Ja, auie. Es tut sehr weh.«
    Sie wanderte davon und sagte noch einmal »Auie, auie«, verfolgte meinen Fall aber nicht weiter.
    Nach einer Weile kam Mrs. Bergen mit einem Haufen Wäsche zum Aufhängen heraus.
    »Na, dir gefällt es ja offenbar da unten«, kicherte sie.
    »Mrs. Bergen, ich glaube, ich habe mir wirklich das Bein verletzt.«
    »Auf dem kleinen Klettergerüst?«, sagte sie, gutmütig skeptisch, kam aber näher, um mich anzusehen. »Das glaube ich nicht, Herzchen.« Und dann plötzlich: »Ach, du lieber Gott! Dein Bein! Es ist verkehrt herum!«
    »Es tut weh.«
    »Das glaube ich. Da geh ich jede Wette ein. Warte da.«
    Sie verschwand.
    Nach geraumer Zeit kamen schließlich Mr. Bergen und meine Eltern in ihren jeweiligen Autos mehr oder weniger gleichzeitig angefahren. Mr. Bergen war Rechtsanwalt. Ich hörte, wie er mit meinen Eltern über Haftung sprach, als sie die Treppe

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