Mein bestes Stuck
alles ans Licht gekommen, oder?«
Lorenzo schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Ich sagte doch schon, ich bin gekommen, um bei dir zu sein.«
»Wirklich?«, flüsterte sie.
Er presste die Lippen zusammen, als müsse er sich konzentrieren.
»Okay, ich gebe zu, es war ein ganz schöner Schock für mich, als ich hörte, dass du zum Château Deschanel fährst. Auch dachte ich, es sei womöglich eine gute Idee, hier zu sein und dir alles zu erklären, falls du von meiner früheren Liaison mit Eleonore erfahren solltest …«
»Liaison?« Das Wort hörte sich merkwürdig an aus seinem Mund.
»Liaison, Beziehung, wie auch immer du es nennen willst. So oder so – wir haben sie vor zwei Jahren beendet. Das glaubst du mir doch, oder?«
»Natürlich glaube ich dir«, sagte Julia, »Trotzdem ist es so seltsam, so ein enormer Zufall, dass ihr beide mal zusammen wart. Ich meine … von allen Frauen der Welt, deren Handtasche ich mit meiner hätte verwechseln können, treffe ich ausgerechnet auf deine Exfreundin!«
Deren Bruder mich um ein Haar voller Leidenschaft geküsst hätte, fügte sie in Gedanken hinzu und errötete.
»Und was ist mit der Spielerei?«, versuchte sie schnell das Thema zu wechseln. »Du hast nie erzählt, dass du früher öfter in Casinos gegangen bist.«
»Aber Julia, genau das ist der Punkt. Ich bin nicht stolz darauf, wie ich mich damals verhalten habe. Luc ist vermutlich zu Recht wütend auf mich. Es war eine schlimme Zeit, wirklich schlimm.«
»Hört sich wirklich ziemlich düster an«, meinte sie nachdenklich.
»Eleonores Spielsucht hat sich schnell meinem Einfluss entzogen. Am Anfang war alles noch ein großer Spaß, ich fand es schön, sie so lebendig zu sehen. Aber später hat sie sich verändert. Also bin ich einfach abgehauen. Ich bin abgehauen,
um mich nicht auch noch kaputtzumachen, nehme ich an. Natürlich wusste ich, dass ihre Mutter schwer krank war, und das tat mir wirklich leid für sie, doch was hätte ich tun sollen? Eleonore und ich hatten damals schon kaum mehr Zugang zueinander. Wie hätte ich annehmen können, ihr eine Hilfe zu sein, wenn sie mich so gut sie konnte aus ihrem Leben ausschloss? Ich fühlte mich völlig losgelöst von ihr, während Eleonore allein trauerte und nur im Casino zu dieser glamourösen, euphorischen Frau wurde, die mehr und mehr Geld ausgab …«
»Also hast du die Flucht ergriffen.«
»Ja.«
Die regennassen Pflanzen im Garten glitzerten im Licht. Kleine Vögel kamen aus ihrem Unterschlupf hervor, und es war nur ihr zartes Gezwitscher und das Scharren ihrer kleinen Füße auf dem Kies zu hören. Die ganze Geschichte hörte sich vollkommen logisch an, so wie Lorenzo sie erzählte, und Julia entspannte sich ein wenig. Doch was war mit Luc? Was mit seinem Zorn? Es war vollkommen klar, dass er seiner Schwester gegenüber loyal sein wollte. Selbstverständlich hätte er ihr damals, nachdem ihre Mutter gestorben war, eine stabile, Trost spendende Beziehung gewünscht. Es wäre für ihn sicher eine große Erleichterung gewesen, zu wissen, dass Eleonore in Paris jemanden hatte, der ihr Halt gab. Vielleicht speiste sich sein Zorn auch nur aus seiner Trauer.
»Okay, Julia, ich gebe es zu. Als du mir erzählt hast, wohin du fährst, hatte ich Angst, dass Eleonore dir etwas über mich erzählen würde, und ich bin gekommen, um mich gegebenenfalls dagegen zur Wehr zu setzen.«
»Oh.« Julia wünschte, er hätte das nicht gesagt. Nachdem sie seine Version der Geschichte gehört hatte, wollte sie eigentlich nur … Ja, was eigentlich? Vergeben und vergessen? Zumindest vergeben und nach vorn schauen.
»Ich wusste, dass sie versuchen würde, mich in ein ungünstiges Licht zu setzen, oder auch ihr Bruder. Und ich habe befürchtet, du könntest dich aufregen …«
»Ich verstehe.«
»Und genau dazu ist es ja auch gekommen.«
Julia spulte die Szenen des Tages immer und immer wieder in ihrem Kopf ab. Wie sie vor Luc zurückgewichen und geflohen war, wie sie dann zu ihrer Überraschung auf Lorenzo getroffen war, der mit Onkel Quinn im Salon gestanden hatte, wie Luc triefnass nach ihr hereingestolpert kam, danach Eleonores Auftritt. Stolz, ungestüm, ganz Herrin des Hauses. Und dann ihr alles zerschneidender Eröffnungssatz: Schenkst du all deinen Liebhaberinnen limitierte Sonderexemplare der Bottega Veneta-Handtasche? Irgendetwas stimmte hier nicht.
»Renzo, warum war Eleonore nicht überrascht, dich im Salon ihres Elternhauses zu sehen, als sie
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