Mein Bild sagt mehr als deine Worte
Klugscheißer?«, sagte ich. »Warum kann ich nicht mit dir darüber reden?«
Als wir das erste Mal zu dritt im Kino waren, wartete er, bis du beim Popcornholen warst, dann sagte er: »Ich hoffe, es macht dir nichts aus?« Und ich war so gerührt, dass er fragte; dass er meine Erlaubnis wollte.
»Glaubst du wirklich, das ist jetzt der richtige Ort und Zeitpunkt dafür? Wir sind hier in ihrem Zimmer, Ev.«
»Ja, genau«, sagte ich. »Fühlt sich das für dich nicht seltsam an? Verstört dich das denn gar nicht?«
Er warf mir einen Blick zu, als hätte ich jetzt vollkommen den Verstand verloren. »Natürlich macht mir das was aus. Sag mal, wofür hältst du mich eigentlich?«
»Du redest nie darüber«, sagte ich. »Nie.«
»Was gibt es denn groß darüber zu reden, Evan? Es ist aus und vorbei. Sie ist nicht mehr da. Es ist passiert. Wir haben das Richtige getan. Ist es das, was du hören willst? Ja, haben wir. Wir haben das Richtige getan.«
Ich hasste es, dass ich ihn so sehr brauchte. Weil er der Einzige war, der Bescheid wusste.
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals wieder hierherkommen würde«, sagte er und blieb in der Mitte des Zimmers stehen, wie um ja nichts anzurühren. »Es fühlt sich alles so leer an. Findest du nicht auch? Was sie ausgemacht hat, ist verschwunden. Es ist jetzt ein x-beliebiges Zimmer. Und das ist so surreal. Ich weiß, dass du glaubst, mir würde das alles nichts ausmachen. Aber das stimmt nicht. Ich bin nur verschlossener als du. Das ist eben meine Art und Weise, damit umzugehen. Macht es aber nicht unbedingt leichter. Ich will nicht hier sein, Evan – und vielleicht tue ich dir damit ja unrecht, aber ich hab das Gefühl, du schon. Es ist deine Strategie, um Dinge am Leben zu erhalten, obwohl sie zu Ende sind.«
»Es ist nicht zu Ende«, sagte ich. »Alles lebt weiter, auch wenn sie nicht mehr da ist. Solange wir hier sind, ist es noch nicht zu Ende.«
»Erinnerst du dich, wie es am Anfang war? Als wir dagegen angekämpft haben? Als wir sie nicht loslassen wollten?«
Ich habe dich kennengelernt. Du hast mich kennengelernt. Wir lagen da. Ich strich mit der Hand über deinen Arm.
Ich nickte. »Ja. Hat nicht funktioniert.«
Schließlich berührte er doch etwas – ein Foto von dir und deinen Eltern, von einem Rahmen umschlossen.
»Sie wären bestimmt nicht sehr erfreut darüber, wenn sie wüssten, dass wir hier sind«, sagte er.
»Euch trifft keine Schuld«, hatte deine Mutter an dem Abend gesagt. Aber sie sagte es kein zweites Mal.
»Mir gefällt die Vorstellung, dass Ariel weiß, wir sind hier in ihrem Zimmer«, sagte ich. »Dass sie es irgendwie spürt. Wo auch immer sie jetzt ist.«
Ich strich mit der Hand über deinen Arm.
Jack stellte das Foto zurück. »Das würde voraussetzen, dass sie uns verziehen hat.«
»Verlieb dich nicht in mich, Evan«, hast du gesagt. »Hörst du?«
»Ja. Vermutlich.«
»Ich bin nicht in dich verliebt«, sagte ich.
Ich warf einen Blick auf deinen Spiegel. Ringsum waren Fotos in den Rahmen geklemmt. Ein paar von dir und Jack. Ein paar von dir und mir. Zwei von Jack allein. Eines von mir allein. Eines von mir und Jack, als wir im Mai gemeinsam einen Ausflug zu Six Flags gemacht haben.
Du hast deinen Arm nicht bewegt. Du hast mich bei dir ruhen lassen. Du hast ihn nicht weggezogen. Du hast mich näher herangezogen. Du warst so gut zu mir. Du hast alles gewusst und es dir nicht anmerken lassen.
»Wir wollen uns immer lieben, aber uns nie ineinander verlieben.«
Und ich habe zugestimmt.
»Evan?«, fragte Jack.
Ich zeigte auf das Foto von ihm und mir. »War ein schöner Tag, oder?«
Und auf einmal …
»Was ist denn das?«, fragte ich und deutete auf das Foto daneben.
Jack sah es zuerst gar nicht – es war viel kleiner als die anderen Schnappschüsse. Vom selben Format wie das erste Foto, das ich bekommen hatte.
Er zog es heraus, betrachtete es und reichte es mir. »Schau’s dir selber an.«
9 F
9 G
»Muss von derselben Person aufgenommen worden sein«, sagte er.
Ich musterte das Foto eingehend.
»Ist das Ariel?«, fragte ich.
»Glaub schon. Ich bin mir zwar nicht hundertprozentig sicher, aber ziemlich.«
»Auf der Eisenbahnbrücke.«
»Wie sie auf den Gleisen geht. Oh Mann.«
»Glaubst du, dass sie –«
»Sich da umbringen wollte? Sieht für mich nicht so aus. Und wer würde denn so was machen? Ein Foto von einem Selbstmordversuch?«
»Wirkt fast so, als würde sie schweben. Als wäre sie bereits
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