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Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Titel: Mein Bild sagt mehr als deine Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Levithan
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dachte schon, ich wäre noch mal davongekommen. Aber nach Unterrichtsende steuerte Fiona auf mich zu.
    »Was ist eigentlich los?«, fragte sie.
    Ich schaufelte meine Bücher in den Spind. Schloss ab.
    »Wie meinst du das?«, fragte ich.
    »Du bist jetzt schon seit einer Woche so seltsam. Da stimmt doch irgendwas nicht.«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest«, murmelte ich. Dann bemerkte ich, dass ich dabei auf den Boden blickte und nicht in ihr Gesicht. Sie würde mir nie glauben, wenn ich ihr dabei nicht in die Augen schaute. Deshalb zwang ich mich dazu. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war mitleidig, genervt und verständnisvoll, alles zugleich.
    »Es erinnert mich an –«, sagte sie. Sagte dann nichts mehr.
    »An was?«, fragte ich.

11 B
    An diesem Abend brach ich ungefähr hundert Eide, die ich mir selbst geschworen hatte, und rief dein altes Online-Profil auf. Ich dachte, vielleicht finde ich dort eine Antwort. Oder irgendwelche Beweise.
    Dein letztes Log-in war an dem Tag gewesen, als wir zusammen zur Lichtung aufgebrochen waren. Du musst dich am Morgen vor der Schule noch einmal eingeloggt haben. Bevor wir zu dritt losgezogen sind, um den Nachmittag zusammen zu verbringen. Bevor
    Fionas Gesichtsausdruck war unverändert. »Es erinnert mich an damals, Evan. Kurz bevor das mit Ariel passiert ist. Ich weiß, ich war nicht dabei, aber ich hab es trotzdem mitgekriegt. Ich habe Dinge gesehen. Und ich weiß noch, wie unfassbar das alles für dich war.«
    »Es ist anders, als du denkst«, entgegnete ich.
    Es hat wehgetan, dich da so erstarrt zu sehen. Festgefroren in der Zeit. Auf deinem Profilfoto hast du nicht gelächelt und schon gar nicht besonders glücklich ausgesehen – obwohl du manchmal durchaus auch glücklich sein konntest irgendwas etwas und manchmal durchaus auch gelächelt hast Kätzchen! Poker spielen! . Du warst nur nicht der Typ, es vor dir herzutragen. Das Foto war ein Schnappschuss, den ich mal in meinem Zimmer von dir gemacht hatte. Du lehnst darauf an meinem Bett und starrst mich an. Ich war so aufgeregt gewesen, als du das Foto für dein Profil ausgesucht hast. Fühlte mich so geehrt. Wie lächerlich.
    Ich klickte auf das Foto, um noch mehr Fotos von dir zu sehen.
    »Dann sag’s mir! Was ist los?«, antwortete Fiona.
    Nie und nimmer kam es infrage, dass ich ihr davon erzählte. Wenn ich ihr nämlich diese eine Sache erzählte, dann musste ich ihr alles erzählen. Alles.
    Ich spürte, wie all die Erinnerungen gegen die Mauer schlugen, die ich errichtet hatte, um sie zurückzudrängen. Der Druck war riesengroß, und ich musste mich mit meinem ganzen Körper dagegenwerfen in meinem Kopf, es war alles in meinem Kopf , damit die Erinnerungen mich nicht überschwemmten. Ich wollte auch gar nicht die Fotos anschauen, die ich kannte die Partys; wie wir vor der Handykamera Grimassen geschnitten haben; die Geburtstage; wir beide – ich suchte nach etwas, das ich nicht kannte, etwas, das mir früher nicht aufgefallen war.
    »Evan«, sagte Fiona und streckte nicht ihre Hand, sondern ihre Stimme nach mir aus. »Ich bin auf deiner Seite.«
    »Aber wer ist auf der anderen Seite, Fiona?« Ich konnte nicht anders, ich musste das fragen. »Ist es vielleicht sie? Heißt das, dass du gegen sie bist?«
    Fiona wich zurück. »Evan, mit dir stimmt was nicht. Selbst wenn niemand anders es sehen kann, ich kann es sehen.«
    Ich habe eins gefunden. Gepostet drei Wochen, bevor es passiert ist. Zwei Tage nach den Fotos, die wir in deinem Zimmer gefunden hatten.

    Der Fingernagel war nicht deiner.
    Aber die Haut mit dem aufgemalten Herzen … die Haut mit dem Herzen …
    »Ich sage ja nicht, dass da nicht irgendetwas nicht stimmt«, sagte ich zu Fiona. Ich war auf einmal müde. Es fühlte sich wie die Müdigkeit von Jahren an. »Aber du kannst mir dabei nicht helfen.« Weil sie das letzte Mal nicht dabei gewesen war. Oder vielleicht doch? »Wirklich, es ist nichts. Ich muss jetzt los.«
    Alles, was ich nicht weiß. Alles, woran ich mich nicht erinnern kann.
    Jetzt riskierte Fiona es. Sie streckte die Hand aus. Legte sie auf meine Schulter. Drückte. Sagte: »Du musst gar nichts tun. Musst du nicht. Es ist vorbei.«
    Es war, als hätte ich dich vorher nie wirklich gesehen. Jedenfalls nicht diesen einen Fleck von dir.
    Kann man sich an jede Einzelheit eines Körpers erinnern? Selbst bei jemandem, den man liebt?
    Fiona wartete auf eine Reaktion. Noch nicht einmal eine Antwort. Nur eine Reaktion.
    Neben dem Foto war nichts

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