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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Kehrschaufel in den Mülleimer. »Das ist wirklich unter meiner Würde, Mrs. Ransome.«
    Das Gesicht der Reinemachefrau wurde unscharf.
    »Wissen Sie, ich muss das hier nicht machen. Nicht mit meiner Ausbildung.«
    Faith befand sich oben unter der Decke und blickte hinunter. Und sah sich selbst, am Tisch sitzend, einen ihrer Schuhe in der Hand haltend.
    »Mit meiner Ausbildung sollte ich –«
    »Helfen Sie mir. Bitte helfen Sie mir, ich habe wieder einen –«
    Von der Decke sah sie Ross in die Küche stürmen. »Verdammt noch mal, was macht ihr beide denn? Die Gäste haben nichts zu trinken.«
    Faith starrte auf ihn hinab. Dann starrte sie plötzlich zu ihm herauf. Er packte ihre Arme und hob sie auf die Füße.
    »Komm schon, reiß dich zusammen, du bist die Gastgeberin. Wo zum Teufel sind die Drinks?«
    »In der Halle«, sagte Mrs. Fogg.
    Ross rammte Faiths Schuh zurück auf ihren Fuß, dann packte er sie bei der Hand und zog sie mit sich. Sie folgte in kleinen Trippelschritten und bemühte sich, in der Senkrechten zu bleiben. Erst kamen die Wände der Halle auf sie zu, dann erstreckten sie sich in weite Ferne, kilometerweit. Die Ritterrüstung schwankte wie ein Strauch im Wind.
    Dann befand sie sich mitten in einem Meer von Gesichtern, einem Gewirr von Stimmen. Überall Augen, ein Labyrinth von Augen. Lippen, irgendwo darunter, sprachen lautlose Begrüßungen.
    »Michael Tennent«, sagte Ross. »Und seine Frau, Amanda. Faith.«
    Während sie von der Decke des Wohnzimmers auf die Gäste hinabblickte und ringsum Bach erklang, hörte sie Amanda sagen, wie sehr sie sich freuten, sie kennen zu lernen, und sicher, sie sollte darauf etwas antworten, höflich, geistreich, charmant sein, als Gastgeberin musste sie das, aber sie konnte die Wörter einfach nicht aussprechen, denn sie starb.
    Sie schlüpfte aus ihrem Körper, sie starb, hier vor allen Leuten, und keiner bemerkte es. Da platzte sie mit den einzigen Worten heraus, die ihr einfielen: »Bitte helft mir, ich sterbe.«
    Sie wandte sich ab von den verblüfften Gesichtern – aber nur, um in noch mehr verdutzte Mienen zu blicken. Als sie einen Schritt zurücktrat, stieß sie mit einem schlanken, jungenhaft wirkenden Mann mit vorzeitig ergrauten Haaren zusammen. Der Polizeichef. »Verzeihung«, sagte sie erst zu ihm, dann zu der Frau, die neben ihm stand, vermutlich seine Gattin. »Verzeihen Sie, ich sterbe, niemand versteht mich, bitte helfen Sie mir, bitte, ich brauche Hilfe, damit ich in meinem Körper bleibe. Bitte helfen Sie mir, bitte lassen Sie mich nicht sterben.«
    Sie wich zurück, und nun starrte sie einen anderen Mann an, einen groß gewachsenen Mann im Cordanzug, mit beginnender Glatze und verzerrten Augen; sie war ihm schon mal begegnet, nur fiel ihr sein Name nicht ein. Ein Psychiater, erinnerte sie sich, aber das war alles. Er würde sie verstehen.
    In panischer Angst packte sie ihn am Arm und flüsterte: »Keiner von denen hier ist sich bewusst, dass ich sterbe. Die Geister versuchen, mich aus meinem Körper zu zerren, bitte halten Sie mich fest. Ross glaubt mir nicht. Bitte beschützen Sie mich.«
    Plötzlich stand Ross neben ihr und legte den Arm um sie, so liebevoll, so fürsorglich. »Liebling, ist ja alles gut, ich bin bei dir. Du hattest nur einen deiner Anfälle. Ich bringe dich nach oben – leg dich eine Weile hin. Ich gebe dir etwas, damit du dich leichter entspannen kannst.«
    »Paranoid«, sagte eine Männerstimme.
    »Psychotisch«, eine andere.
    »Das ist eines der Symptome, leider«, hörte sie Jules Ritterman sagen.
    »Ich hol’s aus dem Wagen«, sagte eine andere Stimme.
    Ihr Körper befand sich etwas entfernt, vielleicht auch hinter ihr. Sie wandte den Kopf in blinder Panik. »Mein Körper?«, sagte sie. »Wo ist mein Körper?«
    Ein kleiner Stich in den Arm, wie ein Insektenstich.
    Nach einigen Augenblicken war sie in ihren Körper zurückgekehrt. Sie lag auf ihrem Bett. Besorgte Mienen blickten auf sie herunter: Ross, Jules Ritterman, Michael Tennant. Erleichtert lächelte sie zu ihnen hinauf.
    Dann schloss sie die Augen. Und stürzte in einen warmen, blauen Ozean des Schlafs.

[home]
    66
    H eute Abend war fast Vollmond. Er spendete mehr Licht, als ihm lieb war, aber als Spider vom Rad stieg, war seine größte Sorge, dass sein Mountainbike geklaut werden könnte. Alle Fahrräder in London waren gefährdet, und dieses ultramoderne Bike wäre eine fette Beute. Die Ironie, dass es bereits gestohlen war, entging ihm

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