Mein bis in den Tod
um und sah auf die Uhr. Fünf Minuten nach Mitternacht. Alles klar.
Er radelte in die Ladbroke Avenue zurück. Weit und breit niemand zu sehen, nur hier und da ein paar Lichter. Von irgendwo weiter unten in der Straße kam Musik, ein Rap. Er fuhr an dem Jeep, einem Audi, einem Lieferwagen, einem älteren Porsche vorbei. Dann stieg er ab, schob das Rad bis zur Haustür von Nummer 37 und kettete es sorgfältig an einem Geländer an.
Jetzt kam der gefährlichste Teil, diese paar Schritte zu Fuß. Während er die wenigen Stufen zur Haustür hinaufstieg, löste er die Dietriche vom Gürtel. Als er zwölf war, hatte Onkel Ronnie ihm gezeigt, wie Türschlösser funktionierten. Wie bei allem im Leben galt: Wenn man erst mal das Prinzip begriffen hatte, hatte man schon neun Zehntel des Weges zurückgelegt. Der Rest war Technik.
Das Schloss an der Haustür war kein großes Problem, ein gängiges Ding mit fünf Stiften, zehn Jahre alt; einmal fest dagegengedrückt, und es hätte wahrscheinlich nachgegeben, aber er wollte keine Aufmerksamkeit erregen. Schnell ging er die Dietriche am Bund durch. Zwei »Halbdiamanten«, ein »Halbrunder« und ein »Vollrunder«, ein »Volldiamant«, ein »Rechen« und eine »Schlange«. Er wählte die »Schlange«, schob die Spitze in die Schlüsselbahn und schob sie ins Gewirre, hindurch bis zum Zapfen, und tastete nach dem ersten Stift. Fast sofort spürte er, wie die »Schlange« ihn leicht berührte.
Hab ich dich, du kleines Arschloch.
Indem er sanft drückte, hob er den Stift an. Dann lokalisierte er den zweiten und hob diesen mühelos an. Wer ihn beobachtete, hätte ihn für einen Bewohner gehalten, der ein Problem mit seinem Hausschlüssel hatte, aber vor lauter Nervosität zitterten ihm die Hände, und er verfehlte den dritten Stift, musste ihn zurückziehen, bevor er den Kontakt herstellte. Der vierte und der fünfte Stift gingen leicht hoch. Jetzt schob er den Dietrich in voller Länge in den Schlüsselspalt und drehte kurz, während er gleichzeitig den Druck schrittweise erhöhte. Eine Schweißperle rann ihm an der Seite der Stirn herunter. Der beschissene Rap-Beat war immer noch zu hören.
Das Schloss klickte, Papier raschelte, als die Tür aufschwang und mehrere Werbebroschüren eines Pizzaservice mit sich zog. Das rote Katzenauge eines Fahrrads, es stand direkt hinter einer Reihe von Briefkästen an einer Wand, blinzelte ihn an. Unter einer Tür zur Linken war ein Lichtstreifen zu sehen, gleichzeitig hörte er den fernen Klang von Stimmen und Musik – irgendwer sah fern. Durch seine Maske drang der Geruch von Curry.
Er schloss die Tür hinter sich. Durch das kleine Fenster über der Tür fiel etwas Licht der Straßenlaternen, aber es war nicht hell genug, um etwas zu erkennen. Er schaltete die Taschenlampe an und stieg die Treppe hinauf. Auf dem ersten Treppenabsatz knarrte eine Bohle. Er ging langsamer, jetzt prüfte er jede genau, damit nicht irgendwelche Nachbarn der Polizei später sagen konnten, zu welcher Uhrzeit sie jemanden kommen oder gehen gehört hatten.
Dr. Cabots Wohnung war mit einem robusten Zapfenschloss verschlossen. Unheimlich schwer zu knacken.
Vier Minuten lang musste er hochkonzentriert arbeiten, bevor sich der Zylinder drehte und er die Tür aufschieben konnte. Vorsichtig, Zentimeter um Zentimeter, er horchte, tastete, schwitzte wie ein Stier, hoffte, dass da nicht auch noch eine Sicherheitskette war.
15 Zentimeter. 30 Zentimeter.
Keine Kette.
Keine kleinen roten Lämpchen, die auf eine Alarmanlage hindeuteten. Nur etwas entfernt ein schwacher Lichtschein und darüber große Schatten, die über die Wand huschten. Er erstarrte, dann entspannte er sich. Ein beschissenes erleuchtetes Aquarium.
Er trat einen Schritt vor – und eine Gestalt trat aus der Dunkelheit direkt auf ihn zu.
Er unterdrückte einen Angstschrei, sprang zurück und griff zur Betäubungspistole. Dann blieb er stehen.
Du dusseliger Idiot
.
Es war sein Abbild in einem großen Spiegel.
Schlechtes Omen. Er hatte Spiegel noch nie ausstehen können, er hasste es, sich im Spiegel zu betrachten, daran erinnert zu werden, dass er entstellt war und es immer bleiben würde.
Er schloss die Tür, blieb regungslos stehen und lauschte kurz. Der Mond, die Straßenlaternen und das Aquarium spendeten genügend Licht, dass er den riesigen offenen Raum sehen und sich den Grundriss der Wohnung vorstellen konnte.
Er schraubte den Schalldämpfer auf die Heckler & Koch und steckte sie sich vorn
Weitere Kostenlose Bücher