Mein bis in den Tod
dieser Anfälle bekomme?«
»Ruf mich an, und ich helfe dir da durch – und wenn du mich brauchst, lass ich alles stehen und liegen und komme zu dir nach Hause.« Einen Augenblick lang schwieg er, dann sagte er: »Faith, ich mache dich wieder gesund, du stehst das schon durch. Versuch, stark zu sein. Ich schicke dir heilende Gedanken, sie werden dir so lange Kraft spenden, bis wir uns sehen. Ich liebe dich.«
Sie hatte einen Kloß im Hals, konnte Oliver kaum antworten. »Ich dich auch. Wenn ich nur bei dir wäre.« Sie streichelte Rasputin den Kopf. Er spürte ihren Kummer und schmiegte sich an ihre Beine.
»Ich kann das Theater absagen.«
»Nein, das musst du nicht.« Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. »Es wird schon gehen.«
»Ruf mich morgen an, sobald du kannst.«
»Ich versuch’s – aber es wird schwierig sein.«
»Was hast du vor?«
»Ross möchte, dass wir mit Alec zusammen etwas unternehmen. Auf einmal will er, dass wir etwas zu dritt machen, als Familie. Wahrscheinlich, damit er sich nach meinem Tod nicht so schuldig fühlt.«
»Faith, du wirst nicht sterben. Hast du mich verstanden?«
»Ja.«
»Du rufst mich an, wenn du mich brauchst. Versprochen?«
Immer noch tief in Gedanken ging sie zum Haus zurück, als ihr einfiel, dass sie einen Kuchen im Ofen hatte. Er war seit fast einer Stunde da drin.
»Scheiße, scheiße, scheiße.«
Sie wusste, dass es längst zu spät war, trotzdem lief sie los. Den Teig hatte sie für einen Kuchen mit glasierten Erdbeeren und Mandeln gebacken, ein Dessert, das bei allen beliebt war.
Als sie in der Küche ankam, empfing sie ein rauchendes Chaos. Sogar Rasputin, der mit größtem Genuss jedes kulinarische Desaster vertilgte, warf aus sicherer Entfernung einen misstrauischen Blick darauf.
Es war ihr egal, dass Ross ihr verboten hatte, heute noch Auto zu fahren. Sie stieg in den Range Rover und fuhr in den nächstgelegenen Supermarkt. An der Kuchentheke standen zwei fertige Erdbeertorten, die für den Zweck reichen würden. Wenn sie die etwas aufpeppte, würde niemandem auffallen, dass sie sie nicht selbst gebacken hatte. Sie legte beide in ihren Korb.
Dann, kurz bevor sie die Kasse erreichte, ging sie zur Patisserie-Theke zurück und stellte die Torten wieder hin. Verdammt, ihr blieb immer noch genug Zeit, die Kuchen selbst zu backen.
Während sie mit leeren Händen zum Wagen zurückging, versuchte sie sich einzureden, dass sie es nicht getan hatte, weil sie sich vor Ross’ Wutanfall, den er unweigerlich bekommen würde, wenn er herausfand, dass sie einen gekauften Nachtisch serviert hatte, fürchtete: Ihr Stolz weigerte sich einfach, das zuzulassen.
Die Wahrheit lag irgendwo in der Mitte.
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64
D er Winter bedeutete kurze Tage, lange Nächte. Spider zog den Winter dem Sommer vor. Ihm war Kälte lieber als Hitze, Regen lieber als Sonne, aber am meisten zog er das Dunkel dem Licht vor.
Dunkelheit bot die beste Deckung für seine Arbeit – noch besser war, wenn es auch noch regnete. Und im Dunkeln, zumindest im Schatten, sah er am besten aus. Wenn er nicht gerade in direktem Licht stand, war er ziemlich attraktiv, fand er.
Aber heute, an diesem heißen Samstagnachmittag im Juni, während die Sonne auf ihn herabbrannte, hatte er gute Laune. Er trug ein Baumwoll-T-Shirt und Mikrofaser-Shorts, Sturzhelm, Smog-Maske und Sonnenbrille und radelte mühelos den Ladbroke Grove hinauf. Das Rad war ein Traum: ein brandneues Mountainbike mit Federung, Flachlenker, Karbonfaser-Sattelstütze, Aluminium-Kettenblatt und Shimano-Gangschaltung. Im Laden hätte es 1500 Pfund gekostet, aber er hatte nur achtzig bezahlt, einem Jungen, der, wie er wusste, für eine Horde Junkies hehlte.
Schade, dass er es später am Abend stehen lassen musste.
Er schaltete einen Gang herunter, um den Anstieg zu bewältigen, auch wenn das unheimlich träge von ihm war. Aber he, warum fuhr er so schnell, er hatte keine Eile, er musste einen Job erledigen, das hier war doch kein Fahrradrennen.
Fahr sofort langsamer!
Er hatte neun Meilen zurückgelegt, meistens bergauf – man merkte ja erst, wie hügelig London ist, wenn man mit dem Rad in der Stadt herumfuhr, aber er schwitzte kaum. Er trainierte täglich zwei Stunden im Fitnesscenter, Gewichte hauptsächlich, und Ausdauertraining. Im Laufe der Jahre hatte er seinem schmächtigen Körper die Statur eines Fliegengewichtlers verliehen.
Während er in die Pedale trat, sammelte er Informationen aus der Umgebung.
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