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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Ellbogen runter – und leg Gabel und Löffel auf den Tisch.« Sie wandte sich wieder dem Artikel in der
Daily Mail
zu. Sie konnte einfach nicht davon lassen.
    Alec nahm keine Notiz von ihr.
    Sie hob erneut den Blick. »Alec!«
    Er ignorierte sie weiter.
    Sie schaltete den Fernseher aus.
    Fast alle Zeitungen und Nachrichtensendungen hatten mit der Geschichte aufgemacht. Die Notärzte hatten den Mann nicht retten können, er war verblutet. Inzwischen war die Meldung durch aktuellere Nachrichten ersetzt worden.
    »Mami!«
    »Ab ins Bett!«
    »Aber, Mami, sonst darf ich auch immer die
Simpsons
sehen.«
    Sie stand auf, packte ihn am Arm und zog ihn mit einem Ruck vom Tisch weg. »Du wirst mit guten Manieren aufwachsen. Menschen mit guten Manieren sehen am Abendbrottisch nicht fern.«
    »Aber du bist heute spät nach Hause gekommen. Sonst hätte ich zu Abend essen und mir danach die Sendung ansehen können.«
    »Trotzdem lasse ich nicht zu, dass du die Ellbogen auf den Tisch stützt und mich dann nicht beachtest.«
    »Gestern bist du auch spät nach Hause gekommen. Ich konnte nicht –«
    »Ich habe mich gestern verspätet, weil ich eine wichtige Komiteesitzung hatte. Wir versuchen zu verhindern, dass uns etwas von unserer schönen Landschaft weggenommen wird. Mami musste dahin.«
    Jetzt weinte er. »Ich habe das mit den Ellbogen nicht gehört.«
    »Doch, das hast du, verdammt noch mal.«
    »Nein, hab ich nicht, verdammt noch mal.«
    »Du sollst nicht fluchen.«
    »
Du
hast geflucht.«
    Auf dem Treppenabsatz packte sie ihn bei den Schultern und bemühte sich, diese Wut, die sie in sich hatte, zu unterdrücken.
Meine Wut an meinem Kind auszulassen
, dachte sie.
Meinen Groll herauszulassen, weil ich gestern Nachmittag Oliver verlassen musste, um nach Hause zu kommen. Weil ich ihn heute nicht den ganzen Tag sehen kann
.
    Die Wut an meinem Kind auszulassen. Herrgott. Beruhige dich. Reiß dich zusammen
.
    Am Morgen würde sie Oliver treffen. Aber das war noch lange hin. Sie wollte, dass Alec zu Bett ging und schlief, damit sie, wie verabredet, Oliver anrufen konnte.
    Heute hatte sie sich besser gefühlt. Keine Übelkeit mehr, nicht mehr dieses seltsam beängstigende Gefühl, plötzlich außerhalb des eigenen Körpers zu sein, und bei der Komiteesitzung waren ihre Gedanken klar und konzentriert gewesen, obgleich das Treffen Stunden gedauert hatte.
    Gestern, nachdem sie miteinander geschlafen hatten, hatte Oliver darauf bestanden, ein bisschen mit ihr zu arbeiten, ein wenig Hypnose und Visualisierung. Hinterher hatte sie sich ausgeruht und gestärkt gefühlt. Aber ob das vom Liebesakt kam, der Hypnose, davon, dass sie einfach mit ihm zusammen gewesen war, oder von den Kräuterkapseln, die er ihr gegeben hatte und die sie alle drei Stunden einnehmen musste, wusste sie nicht – und es interessierte sie auch nicht. Ihr war nur eins klar: dass sie sich zum ersten Mal seit Wochen einen ganzen Tag lang gut gefühlt hatte. Normal.
    Ich werde diese Krankheit besiegen,
dachte sie.
Ich werde diese fiesen kidneybohnenartigen Amöben bis auf die letzte zermalmen.
    »Du hast es versprochen, Mami. Wirklich. Ich will die
Simpsons
sehen.«
    Unten lief Rasputin laut bellend in die Halle.
    Alec schniefte, stampfte mit den Füßen auf. »Ich will die
Simpsons
sehen.«
    »Wenn Mami dir noch einmal sagt, du sollst die Ellbogen vom Tisch nehmen, dann nimmst du sie vom Tisch, verstanden?«
    »Es war nicht meine Schuld, dass du dich verspätet hast.«
    Die Haustür ging auf. Ross’ Stimme. O Gott.
    »Hallo, Junge! Hallo, mein guter Junge!«
    Ihre Stimmung sank. Was zum Teufel machte Ross zu Hause?
    Hau ab. Fahr nach London. Lass mich in Ruhe
. Dienstagabends kam er nie nach Hause. All die Aufmerksamkeit, die er ihr auf einmal schenkte. Was für eine Ironie. All die Jahre, als sie wollte, dass er zu Hause blieb, war er nicht da gewesen, immer war er in London gewesen oder im Ausland, hatte gearbeitet oder Vorträge gehalten. Und nun war er plötzlich der neue Ross. Der fürsorgliche Ross. Und innerlich schrie sie:
Geh mir aus dem Weg.
    »Faith? Liebling?«
    Er stand unten an der Treppe, in der Hand einen Blumenstrauß, so groß, wie man ihn eben tragen konnte.
    Alec trottete die Treppe hinunter, unglücklich. »Daddy, Mami lässt mich nicht die
Simpsons
gucken. Bart musste vorsprechen, und jetzt weiß ich nicht, ob er die Rolle bekommt.«
    Von oben auf dem Treppenabsatz sah Faith zu, wie Ross die Blumen ablegte, Alec hochhob und ihm einen Kuss gab.

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