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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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kostbaren Marlin zu retten, und so eine Art Triumph errang. Vielleicht war das ja alles, was man im Leben erreichen konnte, nie einen totalen, immer nur eine Art Triumph.
    Es stimmte ihn traurig, dass Hemingway sich trotz all seiner Weisheit das Leben genommen hatte: Wenn ein Mann mit einem so guten Kopf es einfach nicht schaffte, wer dann?
    Er musste heute Nachmittag hier draußen sein, in der Themse-Mündung in seinem robusten kleinen klinkergebauten Boot und möglichst viel Wasser zwischen sich und die Welt bringen. »Ich werde dem Denkraum einen Besuch abstatten«, hatte er zu Sandy gesagt.
    Sie verstand ihn.
    Und nun, mit dem Geschmack des Salzes auf den Lippen, mit dem beruhigenden Geruch der Benzinabgase, des Seegrases, der Persenning und des Tauwerks in der Luft und dem Dröhnen des Yamaha-Außenbordmotors hinter sich, gemischt mit dem dumpfen Klappern des Metallgehäuses und dem steten Schwappen der Wellen, entspannte er sich langsam, und seine Wut auf Ross Ransome ließ allmählich nach.
    Er setzte sich zurück, eine leichte Brise blies ihm ins Gesicht, die Hand lag ruhig auf der Ruderpinne des Außenbordmotors; sein Blick wechselte vom Kompass auf dem Kompasshäuschen zur ruhigen See jenseits des Bugs. Die blaue Kühlbox mit den Dosen Caffreys-Bier und Sandwiches hatte er sich zwischen die Beine geklemmt, weiter vorn im Boot waren die Angelrute, die Köderbox, der Käscher und der Fischhaken verstaut.
    In der Kühlbox befand sich noch etwas: die Originalkopie des Videos mit dem Mann im Trainingsanzug, der Dr. Oliver Cabots Bruder erschossen hatte. Die einzige andere Kopie war jene, die er in Ross Ransomes Büro zurückgelassen hatte, und die lag jetzt mit ziemlicher Sicherheit an einem Ort, an dem niemand sie finden konnte – wenn der Arzt sie inzwischen nicht vernichtet hatte.
    Die Gischt spritzte vom Bug weg wie zerstoßenes Eis, und ein paar Augenblicke sah er ihr zu. Sie wirkte so kühl, frisch, fast hypnotisch. Hin und wieder blickte er zum Heck: Der Propeller wühlte das Kielwasser zu einer schmutzig braunen Masse auf. Tanker und Containerschiffe konnten durchaus unbemerkt hinter einem auftauchen und einem eine Höllenangst einjagen. Aber außer ein paar Möwen, die auf dem Wasser schaukelten, und einem halb unter Wasser liegenden Rundholz, das rasch Teil des Horizonts wurde, war nichts zu sehen.
    Er blickte wieder nach vorn. Er behielt eine Kanalboje im Auge, ungefähr eine Seemeile vor ihm, ein großes Schiff, etwa fünf Meilen entfernt, das flussaufwärts auf ihn zukam, sowie ein Boot der Wasserschutzpolizei, das rund zwei Meilen steuerbords langsam einen großen Halbkreis beschrieb. Nichts, worüber er sich Gedanken machen müsste. Zumindest hier draußen nicht.
    Über die Wassertiefe musste er sich auch keine Sorgen machen, aber er blickte trotzdem auf das Echolot, das am Kompasshäuschen unter dem Kompass angebracht war. 35 Faden. Auf dem kleinen grünen Schirm aus Rauchglas glitt eine fortlaufende Karte des Meeresbodens vorbei; alle paar Augenblicke tauchte ein virtueller Fisch auf, in einer von drei verschiedenen Größen, und schwamm von rechts nach links. Er hatte sich das Gerät selbst zum Geburtstag geschenkt – es sollte anzeigen, wo sich Untiefen befanden –, und es hatte für ihn immer noch den Reiz des Neuen.
    Vergangene Woche noch hatte er geglaubt, dass er wegen des verschwenderisch großzügigen Kunden Ross Ransome möglicherweise sein Boot aufrüsten könnte. Jetzt würde er Schwierigkeiten haben, von dem Mistkerl über die Anzahlung hinaus auch nur einen Penny zu kriegen. Aber darüber musste er jetzt nicht nachdenken.
    Sein Mitarbeiter Barry Gatt war tot. Barry hinterließ seine Frau, Steph, und Drillinge – die Folge einer Behandlung wegen Unfruchtbarkeit. Ihr Hormonsystem war seit der Geburt angeschlagen, und sie litt unter Depressionen. Sie konnte die Kinder versorgen und so eben den Haushalt führen, aber viel mehr auch nicht. Sie würde Geld brauchen.
    Und Barry brauchte Gerechtigkeit.
    Aber …
    Ein großes Aber. Er hatte sich strafbar gemacht, als er die Überwachungskameras in Dr. Cabots Wohnung anbrachte.
    Wenn er die Videoaufnahmen an eine Fernsehgesellschaft oder eine Boulevardzeitung verkaufte, könnte er damit eine hübsche Summe verdienen. Heiße Bilder. Er könnte das Geld Steph Gatt schenken, und wenn er damit Barry auch nicht zurückholen würde, könnte es ihr Leben doch in gewisser Weise erleichtern. Außer die Aufnahmen würden die Büchse der

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