Mein bis in den Tod
»Und warum lässt sie den großen Burschen nicht die
Simpsons
gucken?« Er sah lächelnd zu ihr hinauf.
»Weil …« Alec wischte sich mit seinem Sweatshirtärmel die Tränen ab. »Weil … ich sie nicht gehört habe –«
Ross ließ ihn herunter, bis er wieder auf dem Boden stand.
»Alec«, sagte Faith, »gib Daddy einen Gutenachtkuss und komm herauf, ich lass dir ein Bad einlaufen.«
Alec ignorierte sie. »Ich hab sie wirklich nicht gehört, Daddy, ehrlich.«
»Geh hinauf und lass dir von Mami ein Bad einlaufen«, sagte Ross. »Dann komme ich nach und lese dir etwas vor. Abgemacht?«
Faith sah, wie Alec die Lippen schürzte, dann das Zögern. Er überlegte, wie er sich entscheiden sollte. Manchmal übte sein Vater eine merkwürdig beruhigende Wirkung auf ihn aus und konnte ihn zu Dingen überreden, zu denen sie ihn selbst nicht bringen konnte. Alec nickte ernst. Dann stieg er, aufreizend langsam, so als wäre es die einzige Möglichkeit, es ihr heimzuzahlen, die Treppe hinauf, wobei er auf jeder Stufe stehen blieb und sich Zeit ließ, als müsse er erst nachdenken, bevor er seinen Turnschuh darauf setzte.
Als er die Treppe zur Hälfte hochgestiefelt war, rief sie zu ihm hinunter: »Alec, hast du Spike heute schon gefüttert?«
Ihm fiel die Kinnlade herunter, er hatte ein schlechtes Gewissen und rannte die restlichen Stufen zu seinem Zimmer hinauf, weil er seinen Hamster füttern musste. Sie blieb stehen und blickte zu Ross hinunter.
Er griff nach den Blumen und hielt sie ihr hin. »Die sind für dich.«
»Danke«, antwortete sie tonlos und stieg widerstrebend die Treppe hinunter. Das Papier und das Zellophan raschelten in seinem Arm. Sie beugte sich vor und roch an den Blumen. Einige waren Orchideen, aber da waren auch noch andere, exotische Sorten, die sie noch nie gesehen hatte. »Wie heißen die hier, die langen?«
»Keine Ahnung, aber sie kosten ein kleines Vermögen.«
»Ich stell sie gleich ins Wasser.«
»So viel wie die gekostet haben, solltest du sie besser in Champagner stellen.«
Er folgte ihr in die Küche. »Freust du dich nicht, dass ich zu Hause bin?«
»Es ist eine Überraschung.«
»Eine schöne?«
Sie stöpselte das Spülbecken zu und ließ den Kaltwasserhahn laufen, dann blickte sie sich nach einer passenden Vase um.
Ross trat hinter sie, ließ seine Arme um ihre Taille gleiten, schmiegte seinen Mund an ihren Nacken. »Wie wär’s mit einem Schluck Champagner? Ein Schlückchen von dem alten Pol Roger? Winston Churchills Lieblingschampagner. Um zu feiern.«
»Was feiern?«
»Dass wir deine Krankheit besiegen werden.«
Er warf einen Blick auf die Schlagzeile der Zeitung. Bestimmt hatte er in der
Times
gelesen, dass der mutmaßliche Täter im Mordfall Dr. Harvey Cabot tot war. Oder es im Radio gehört. Aber er erwähnte es mit keinem Wort.
»Gibt’s was Neues von der Patientin, die so schwer erkrankt ist? Lady Reynes-Wiehießsienochmal?«
»Nichts Gutes. Ihr Mann droht, mich und alle andern zu verklagen.«
»Und glaubst du, dass sie sich die Hirnhautentzündung im Harley-Devonshire zugezogen hat?«
»Höchstwahrscheinlich. Vor drei Tagen wurde ein Fall von Sepsis mit demselben Bakterienstamm diagnostiziert. Der Erreger könnte in der Klimaanlage sein, im Wasser, überall.«
»Wird es der Klinik schaden?« Sie wusste eigentlich nicht, warum sie diese Fragen stellte, denn es war ihr egal, sie betrachtete ihr Leben mit Ross als Vergangenheit. Aber vielleicht brachten sie ihn davon ab, sich an ihren Nacken zu schmiegen.
»Nein.«
»Es sei denn, natürlich, es gibt noch mehr Fälle?«
»Das halte ich für unwahrscheinlich«, sagte er mit Nachdruck.
Sie fand eine Vase, ließ etwas Wasser hineinlaufen und schüttete es wieder aus, weil eine tote Spinne darin lag. Dann füllte sie die Vase erneut. »Wieso? Wenn du zwei Fälle hattest und nicht weißt, auf welche Weise die Patienten sich infiziert haben, wie kannst du dann sicher sein, dass nicht noch mehr Fälle auftreten?«
»Ich hole eine Flasche Pol Roger aus dem Keller.« Er ließ sie los und wandte sich um.
»Was möchtest du essen? Ich wollte mir nur einen Thunfischsalat machen. Wäre etwas aus der Tiefkühltruhe in Ordnung? Lammrippchen? Pizza?«
»Wir gehen aus, du musst nicht kochen.«
Sie konnte es nicht genau ausmachen – aber Ross’ Ton hatte etwas Merkwürdiges an sich. Fast so, als wäre nicht er selbst zu Hause, sondern sein Doppelgänger, der ihn etwas zu perfekt spielte.
»Und Alec?«
Er sah auf
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