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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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verdiene es nicht, meinen Bruder zu verlieren. Jake zu verlieren war schon beinahe nicht zu ertragen gewesen. Aristoteles sagte einmal, die Götter könnten keine größere Pein bereiten, als eine Mutter ihr Kind überleben zu lassen. Das Gleiche hätte er auch über einen Vater sagen können. Und einen Bruder, der seinen Bruder überlebte.
    Während der Mittagspause, als sie nach draußen gegangen waren, um etwas frische Luft zu schnappen, hatte Detective Sergeant Anson ihm gesagt, sein Hobby sei das Bogenschießen. So entspanne er sich: mit riesigen Bögen, die 135 Pfund Zugkraft erforderten, und Hightechpfeilen, die pro Stück 20 Pfund kosteten. In der Nacht zum Sonntag war Olivers Bruder erschossen worden, und was war die Folge: eine Stegreif-Lektion über das Bogenschießen. Wie man einen Bogen hielt, wie man den Pfeil zurückzog, den Bogen senkte, wie man ihn abschoss. Die englischen Bogenschützen, die gegen die Franzosen gekämpft hatten, seien harte Burschen gewesen, hatte der Detective ihm stolz erzählt. Bei Agincourt hätten englische Bogenschützen in sieben Tagen 8000 Franzosen ins Jenseits befördert.
    Jetzt befanden sich die großen Bogenschützenhände des Detective in der Luft, griffen ineinander, die Symbole zweier Zahnräder, die nicht ganz ineinander passten. »Sie und Ihr Bruder, Dr. Cabot. Würden Sie sagen, dass sie sich als Jungen gut verstanden? Gab es da eine Art Geschwisterrivalität?« Er hielt ihm die zerknitterte Tüte mit Sonnenblumenkernen hin, Oliver lehnte ab. Anson warf einen in den Mund und kaute.
    Im Augenblick musste er ständig an Faith denken, in der letzten Stunde hatte er gefühlt, dass etwas nicht stimmte, dass sie in Not war, ihn brauchte. Möglicherweise bildete er es sich ja nur ein, aber er wollte trotzdem unbedingt ihre Stimme hören.
    »Es ist ganz normal, dass zwischen Geschwistern eine gewisse Rivalität herrscht«, beharrte Detective Sergeant Anson. »Vielleicht können Sie sich mal in Ihre Kindheit zurückversetzen.«
    Faith Ransome. Sie war das einzige Licht in dieser Dunkelheit, das Einzige, wofür er weiterleben wollte. Und er hatte große Angst um sie. Angst, dass er sie nicht wieder gesund machen könne … Angst davor, was ihr Dreckskerl von Ehemann ihr antun könnte, falls Harveys Tod sein mieses, stümperhaftes Werk gewesen sein sollte.
    »Was soll das? Wollen Sie eine Freudsche Analyse an mir ausprobieren?«, fragte er verärgert. »Was sollen diese blödsinnigen Fragen, die Sie ins Gespräch einschieben? Ich habe meinen Bruder geliebt, ich habe ihn nicht erschossen. Und ich habe auch keinen Killer engagiert, um ihn erschießen zu lassen.«
    »Dr. Cabot, ich verstehe ja, wie Ihnen zumute ist –«
    »Wirklich? Haben Sie schon einmal einen Bruder verloren?«
    Der Detective ignorierte die Frage. »Achtzig Prozent der Morde in diesem Land geschehen innerhalb der Familie. Ich muss diese Möglichkeit ausschließen können.«
    »Sie haben doch bereits den Mann, der meinen Bruder umgebracht hat.«
    »Er ist der Tat verdächtig«, korrigierte Anson.
    »Unsinn. Sie wissen, dass er’s getan hat.«
    »Wir wissen aber nicht, warum.«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie Faith Ransomes Ehemann verhören sollen.«
    »Ich habe mir seinen Namen notiert. Wir werden ihn im Rahmen unserer Ermittlungen vernehmen.«
    »Aber Sie haben es noch nicht! Um Himmels willen, dieser Mann sollte ein Hauptverdächtiger sein. Nur weil er Arzt ist und eine gewisse Ehrbarkeit ausstrahlt, nehmen sie offenbar nicht ernst, was ich über ihn sage.«
    »Bei allem Respekt, Dr. Cabot, Sie sind selbst Arzt.« Er lächelte.
    Seltsamerweise stellte Oliver fest, dass er das Lächeln erwiderte.
    Der Sergeant Detective war ein komischer Kauz, mit seinen Sonnenblumenkernen und seiner Leidenschaft für vorsintflutliche Waffen, aber zumindest besaß er Humor. Vielleicht mussten sie beide versuchen, etwas heiterer zu sein.
    »Ich habe zehn erfahrene Beamte auf den Fall angesetzt. Ihre Beziehung zu Mrs. Ransome ist notiert. Auch dass Sie behaupten, sie sei keine Ehebrecherin, aber meinen, dass ihr Ehemann anders darüber denkt.«
    »Er schlägt sie.«
    Anson notierte es sich.
    Es war neun Uhr, als er schließlich sagte: »Dr. Cabot, ich meine nicht, dass wir das offiziell machen sollten, aber ich würde es zu schätzen wissen, wenn sie bis zum Abschluss der Ermittlungen das Land nicht verließen.«
    »Sie meinen, ich darf nicht am Begräbnis meines Bruders teilnehmen?«
    »Ich bin sicher, dass

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