Mein bis in den Tod
horchte, ob ihre Stimme damit korrespondierte. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihren Mund bewegen konnte, aber indem sie daran dachte, geschah es offenbar. »Ross, bitte hilf mir. Es passiert wieder, dieses Etwas, bitte –«
Ein Auto kam die Auffahrt herauf. Ein Taxi. Es schien dahinzugleiten. Rasputin bellte, aber sie konnte ihn nicht erkennen. Sie rief seinen Namen, wollte, dass er in die Bibliothek kam, damit sie ihn sehen konnte, feststellen, dass er wirklich und sie nicht tot war und ihn sich einbildete.
»Bin ich tot, Ross?«
Er hielt den Kopf abgewandt und verließ das Zimmer, als habe er sie nicht einmal gehört.
Stimmen. Wie das Stimmengewirr auf einer Cocktailparty. Der Hund bellte. Sie wollte sich den Gästen anschließen, aber sie hatte Angst, ihren Körper zurückzulassen, falls sie nicht zu ihm zurückfände. Oder dass jemand ihn ihr wegnähme, im Glauben, sie sei tot, bevor sie erklären könnte, dass das nicht der Fall war, nicht ganz.
»Ross«, hörte sie eine Stimme sagen, die sich wie ihre eigene anhörte.
»Rasputin?« Auch das klang wie sie, aber Rasputin kam nicht. Stattdessen glitt ein Auto die Auffahrt herauf, es ähnelte dem, das ihre Mutter fuhr, ein kleiner blauer Toyota.
Eine Stimme, die sie erkannte, sagte: »Hallo, Faith.«
Ein großer, schlaksiger Mann mit Brille stand in der Tür und sah sie an. David DeWitt, der Psychiater, der ebenfalls am Samstagabend zum Dinner mit seiner Frau hier gewesen war. Warum war er zurückgekommen? Hatte er etwas vergessen?
Dann betrat er das Zimmer, und hinter ihm in der Tür stand Michael Tennent, noch ein Psychiater, der am Samstagabend auch zum Dinner hier gewesen war. Hatte auch er etwas vergessen?
Oder bekam sie die Zeiten völlig durcheinander?
»Ich glaube«, hörte sie ihre Stimme sagen, »dass die Dinge in der Küche ziemlich durcheinander geraten. Bitte erinnern Sie mich daran, ob wir schon gegessen haben – das ist ziemlich schwer zu sagen im Augenblick, bei diesen langen Sommernächten.«
»Wie geht’s Ihnen, Faith?«, sagte David DeWitt.
Eine Stimme, die ihre hätte sein können, erwiderte: »Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie Teil der Nahrungskette wären? Machen Sie sich überhaupt eine Vorstellung davon, wie viel Schaden der Wind in einem Spargelbeet anrichten kann?«
DeWitt und Tennent sahen einander an, gaben sich mit Blicken irgendein Zeichen. Rasputin, der hinter ihnen stand, bellte immer noch, und sie wünschte, er wäre ruhig.
Plötzlich stand auch ihre Mutter im Zimmer.
»Mami?«
Margaret trug etwas Unangemessenes für eine Dinnerparty, einen leichten Anorak. Vielleicht wollte sie nur babysitten. Sie sah, wie der Mund ihrer Mutter sich bewegte, aber ihre Stimme schien von irgendwo anders zu kommen.
»Hallo, Liebling.«
»Vielleicht kannst du mich nicht hören«, hörte Faith sich sagen, »weil ich tot bin. Könntest du das Ross erklären, bitte. Er ignoriert mich weiter. Bitte erkläre ihm, dass ich tot bin, und jemanden brauche, damit ich wieder in meine Haut schlüpfen kann.«
Jetzt stand Jules Ritterman im Zimmer und starrte sie ungläubig an. Er sagte etwas zu Ross, aber sie konnte es nicht verstehen. Dann kam er auf sie zu, gefolgt von Tennent, DeWitt und ihrer Mutter.
Jetzt sprach Ritterman im sanften, scheltenden Tonfall, so wie sie manchmal mit Alec redete. »Faith«, sagte er. »Ross sagt mir, dass Sie kein braves Mädchen sind, dass Sie die Medikamente, die ich Ihnen verschrieben habe, nicht einnehmen wollen. Stimmt das?«
Sie hörte ihre Stimme sagen: »Ich bin tot, verstehen Sie. Es hilft nicht, wenn man etwas einnimmt, wenn man tot ist.«
Plötzlich stellten ihr alle Fragen. Sie hörte, wie Tennent sagte: »Hören Sie Stimmen, Faith?«
DeWitt fragte: »Hatten Sie Visionen?«
Dann sagte Tennent: »Sagen Sie, Faith, hatten Sie irgendwelche ungewöhnlichen Erfahrungen?«
Eine andere Stimme sagte leise: »Sie scheint verwirrt. Haben Sie schon einmal versucht, Selbstmord zu begehen?«
Sie beantwortete einige Fragen, aber die meisten schwebten in Luftballons in ihrem Kopf herum. Nach einer Weile verließen alle das Zimmer, aber sie hörte, wie sie sich in der Halle unterhielten, diskutierten, darunter auch ihre Mutter, die ihnen Fragen über sie beantwortete.
Sie hörte Ritterman sagen: »Es ist üblich, bei einer Entscheidung dieser Art das Sozialamt hinzuzuziehen.«
Ross sagte: »Das können wir umgehen, Jules. Es kann auch ein naher Angehöriger statt eines Sozialarbeiters
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