Mein bis in den Tod
nach vorn, dann zur Seite, hielt sich an etwas fest, irgendetwas, einem Seitentisch, jetzt fiel er zusammen mit dem Tisch hin, landete krachend auf dem Boden. Der Klang von zerberstendem Glas.
Dann war das Zimmer lichtdurchflutet.
Er blickte auf. Eine Krankenschwester blickte auf ihn herunter. Er kannte ihr Gesicht, aber der Name fiel ihm nicht ein. Sie betrachtete ihn, als wäre er ein Kind. Dann bückte sie sich und half ihm auf.
»Geht es Ihnen gut, Mr. Ransome?«
»Ganssch – okay.«
»Sie haben sich in die Wange geschnitten – ich mache Ihnen ein Pflaster darauf. Legen Sie sich wieder hin. Kommen Sie, wir bringen Sie zurück ins Bett.«
Er schüttelte sie ab, Panik überfiel ihn, seine Erinnerung kehrte zurück – die Infusionsflüssigkeit, er hätte die Infusionsflüssigkeit um halb sieben austauschen müssen –
Er rappelte sich auf. »Faith, meine Frau – ich – muss zu meiner Frau.« Plötzlich sah er, dass man sein Jackett entfernt hatte.
Der Infusionsbeutel war in der Tasche gewesen.
»Wo ist mein Sakko?«
Sie deutete hinter die Tür. Er ging hin, nahm das Sakko vom Haken und spürte sofort am Gewicht, dass der Beutel nicht mehr darin war. Hatte sie ihn mitgenommen? Die Krankenschwester sah ihn verdammt seltsam an.
»Ich hole ein Pflaster für Ihre Wange.« Sie verließ das Zimmer.
Er schob die Hände in die Taschen. Die rechte Tasche. Etwas Feuchtes, Zerknittertes. Zog es heraus. Ein leerer Beutel.
Seine Panik ließ nach.
Ich muss den Beutel doch gewechselt haben
.
Die Schwester kam zurück, in der Hand ein Heftpflaster, einen Baumwolltupfer und ein Arznei-Fläschchen, das nach einem Antiseptikum aussah. Er saß auf dem Bett, während sie die Wunde verband.
»Wiessch – wie – wie geht’s meiner Frau?« Er las das Namensschild an ihrem Revers. Stationsschwester Sheila Durrant.
»Ihre Frau ist gegangen, Mr. Ransome.«
Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff. »Ich … verstehe nicht. Wohin gegangen?«
»Die Klinik. Sie hat sie verlassen. Ist verschwunden.«
»Waaas?«
»Tut mir leid.«
Er stand auf, trat ein paar Schritte zurück, und er explodierte fast vor Wut. »Waaas? Gegangen? Die Klinik verlassen?«
»Ihr Arzt hat sie besucht. Dr. Cabot. Sie sind beide gegangen.«
»Das meinen Sie nicht ernst?«
»Doch, ich fürchte ja.«
Er ballte die Fäuste. »Wie konnte das passieren? Dies hier ist eine geschlossene Anstalt, verdammt noch mal – wie? Wie?
Wie?
«
»Keiner weiß es.«
»Man hat sie zwangseingewiesen – sie kann nicht so einfach gehen.«
In seinem Kopf drehte sich wieder alles.
»Wir wissen es nicht.«
»Haben Sie die Polizei benachrichtigt?«
»Ja.«
Er prallte gegen eine Wand, die sich wie ein Karussell auf einem Rummelplatz zu drehen begann. »Dieser Dreckskerl Cabot, dieser Scharlatan – er ist ihr Liebhaber. Sie schlafen miteinander. Er vögelt meine Frau. Sie lassen es zu, dass der Geliebte meiner Frau hier reinkommt und sie einfach mitnimmt?«
»Tut mir leid, Mr. Ransome. Sie sind in einem, gelinde gesagt, recht angeheiterten Zustand hier angekommen, und wir mussten Sie mit vereinten Kräften in ein Bett schaffen, zu Ihrem eigenen Besten – um Ihnen Peinlichkeiten zu ersparen.«
»Wie verdammt freundlich von Ihnen.«
»Wenn Sie mich beschimpfen, lass ich Sie allein und rede erst wieder mit Ihnen, wenn Sie nüchtern sind. Verstanden?«
»Ich bin überhaupt nicht –«
Sie ging hinaus und schlug die Tür hinter sich zu.
Ross setzte sich aufs Bett. Das Zimmer hüpfte, und in seinem Schädel war ein seltsames Summen, als ob ein großes Insekt, eine Motte oder eine große Biene, darin herumflitzte. Er sah ein Mobiltelefon auf dem Boden, es war seines.
Er hob es auf, drückte den Selektor für die Menüwahl, bis die Anzeige für die letzten eingegangenen Nachrichten auf dem Display erschien, und drückte die Taste, um die Nummer anzurufen.
Nach dem zweiten Klingeln meldete sich Hugh Caven. »Ja, hallo.«
»Wir treffen uns heute Abend, Caven, dann bringe ich Ihnen das Geld, das ich Ihnen schulde, plus noch etwas mehr.«
»Wie viel mehr?«
»Noch tausend.«
»Wo?«
»Ich – ah –«
»Wo sind Sie?«
»Im Grove Hospital – nahe – der Wellington Road. Maida Vale?«
»In der Nähe gibt’s ein Hilton, gegenüber dem Lords Cricket Ground. Kennen Sie es?«
»Ich find – ich – find’s schon.«
»Direkt vom Foyer geht eine Bar ab. Wir treffen uns dort in einer halben Stunde, aber lassen Sie mich nicht warten.
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