Mein bis in den Tod
jeden geordneten Tagesablauf sausen.«
»Warum hast du keinen meiner Anrufe beantwortet, Ross?«
»Es ist nach sieben. Warum ist Alec noch auf?«
Faith blickte Alec an. Mehr als alles andere hasste sie es, dass er sie beide streiten sah, aber sie war entschlossen, nicht klein beizugeben. Mit ruhiger, aber fester Stimme antwortete sie: »Wir machen noch ein Spiel, und dann ab ins Bett. Du fängst an, Alec.«
»Er geht
sofort
ins Bett!« Ross, in dessen Miene sich ein Gewitter zusammenbraute, sah sich um, auf der Suche nach etwas, über das er sich aufregen konnte – und musste nicht lange danach suchen. »Warum steht auf dem Sideboard schmutziges Geschirr? Ist das noch vom Mittagessen, Faith? Lebst du wie eine Schlampe, wenn du mich nicht zu Hause erwartest? Du lässt meinen Sohn ins Bett gehen, wann er will, und hinterlässt ein Chaos in der ganzen Wohnung.«
Sie ignorierte ihn und sagte zu Alec: »Wir spielen noch ein Spiel. Du fängst an, Liebling.«
Dann blickte sie Ross an und sagte im Tonfall eines Erwachsenen, der mit einem Kind redet: »Geh ins Arbeitszimmer und entspann dich, ich bringe dir gleich einen Whisky.«
Sie stellte die Spielsteine auf und sah im Augenwinkel, dass Ross zögerte. »Ich habe bei Lucinda drei Nachrichten für dich hinterlassen. Eine gestern und zwei heute. Außerdem habe ich zwei Nachrichten für Jules Ritterman hinterlassen. Könntest du mir vielleicht verraten, warum du mir nicht die Wahrheit über meine Erkrankung gesagt hast?« Sie blickte zu Alec, der sich auf das Spiel konzentrierte.
Trotzdem sagte er: »Was hast du, Mami?«
Sie sah zu Ross hin. »Möchtest du es ihm gern sagen?«
»Ich muss dringend ein paar E-Mails verschicken.« Ross, der immer wütender wirkte, wandte sich ab und ging hinaus.
Vierzig Minuten später schaltete Faith das Licht in Alecs Zimmer aus und schloss die Tür. Dann ging sie nach unten, in Ross’ Arbeitszimmer, und schloss auch diese Tür hinter sich. Ross saß an seinem Computer, sah auf den Bildschirm und tippte einen Befehl.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass ich sterbe? Warum hast du mir diesen völligen Schwachsinn erzählt und mich hinsichtlich der Antibiotika und der Kapseln, die du mir gegeben hast, angelogen?«
Er nahm ein Tablettenfläschchen vom Schreibtisch und hielt es ihr hin. Jetzt klang seine Stimme nicht mehr wütend, nur gekränkt.
»Du nimmst sie nicht ein, Faith. Das hier war in deiner Handtasche, ich habe die Tabletten gerade gezählt. Du hast weder die genommen, die du gestern zum Mittagessen und Abendessen einnehmen solltest, noch hast du heute eine eingenommen.«
»Was gibt dir das Recht, in meiner Handtasche zu kramen?«
»Und was gibt dir das Recht, diese Pillen nicht einzunehmen?«
»Ich habe jedes Recht der Welt, sie nicht einzunehmen.«
»Du irrst dich. Du bist meine Frau und Alecs Mutter, und du hast eine Pflicht uns beiden gegenüber – besonders ihm gegenüber. Du hast die Verpflichtung, am Leben zu bleiben. Du kannst nicht ein Kind zur Welt bringen und es dann einfach fallen lassen.«
»Warum hast du mich angelogen?«
Er stand abrupt auf, die Hände an der Seite, die Fäuste geballt.
»Du Schlampe. In zwölf Jahren bin ich dir nie untreu gewesen, du
Hure
. Niemals.«
Er trat einen Schritt auf sie zu, und sie wich zurück, überzeugt, dass er sie schlagen würde.
Aber stattdessen brach er in Tränen aus. »Ich liebe dich, Faith. Ich kann den Gedanken, dich zu verlieren, nicht ertragen, ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du sterben könntest. Ich will nur das Beste für dich, deshalb habe ich es dir nicht gesagt. Kannst du das denn nicht verstehen?«
Er nahm sie in die Arme, drückte sein nasses Gesicht gegen ihre Wange. »Ich möchte, dass du diese Pillen einnimmst, weil sie die beste Chance sind, die du hast. Ich möchte nicht, dass du betrogen wirst –« Er hielt inne. Sie durfte nichts über Hugh Caven erfahren, er durfte sich nicht selbst verraten.
»Du darfst nicht glauben, dass du diese Krankheit im Handumdrehen besiegen kannst.« Dann hielt er erneut inne. »Wie hast du eigentlich davon erfahren? Hat Ritterman es dir gesagt?«
Sie spürte, dass er sich fester an sie drängte, und trotz all der Wut und des Hasses, den sie gegen ihn hegte, empfand sie Mitleid mit ihm. Er war ein solch geschlagener Mann. Zerfressen von seinem Ehrgeiz, getrieben von seinen inneren Zwängen, die seine Gefühle und Stimmungen diktierten.
Seine Mutter war gestorben, als er noch klein war, sein
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