Mein bis in den Tod
nicht fertig werden.« Und natürlich hätte ihre Mutter Ross’ Partei ergriffen. Das tat sie ja immer.
Stattdessen war sie in Ross’ Arbeitszimmer hinuntergegangen und hatte das Internet nach der Lendtschen Krankheit durchstöbert. Es gab vierzig Websites, darunter auch eine über eine Selbsthilfegruppe für Patienten. Die Seite enthielt ausführliche Informationen über die Moliou-Orelan-Versuchsreihen, aber sie erfuhr nichts Neues.
Auf einer anderen Internetseite ging es um die Identifikation der Krankheit durch den Virologen Dr. Mogens Lendt, sie zeigte Bilder, die so aussahen wie die, die Oliver ihr auf seinem Laptop gezeigt hatte. Aber die Website interessierte sich mehr für den beruflichen Werdegang von Lendt und die Fachartikel, die er veröffentlicht hatte. Auf einer anderen Seite war eine Liste der Viruskrankheiten zu finden, die im letzten Jahrzehnt identifiziert worden waren – mit dem allgemeinen Hinweis, dass die Umweltverschmutzung als Hauptursache eingestuft wurde.
Die Ursache interessierte sie nicht. Sie suchte nur nach einer Sache, während sie sich durch die Internetseiten arbeitete: nach einer
Heilmethode
. Nach den Fortschritten bei der Entwicklung einer Heilmethode. Nach einer Hoffnung für die Betroffenen.
Nichts davon hatte sie gefunden.
»Können wir noch mal spielen, Mami?«
Sie hatten das Spiel bereits zum fünften Mal gespielt, und sie hatte allmählich keine Lust mehr. Es war sieben Uhr. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Um halb acht lief
Tomorrow’s World
im Fernsehen. Sie fand die Sendung jedes Mal faszinierend. Früher hatte sie sie oft zusammen mit ihrem Vater gesehen und sich gefragt, ob er insgeheim hoffte, dass man eines Tages ein Heilverfahren gegen seine Krankheit vorstellen würde. Danach kam eine Kochsendung, und um neun ihre Lieblingssendung,
Emergency Room – Die Notaufnahme.
Aber sie war sich nicht sicher, ob sie sich heute Abend aufs Fernsehen konzentrieren konnte.
Oliver Cabot wird mich heilen.
Das muss ich glauben.
Und wenn nicht?
Sie sah Alec an.
Was würde mit dir geschehen? Du wärst Ross ausgeliefert.
»Können wir spielen, Mami? Noch einmal?«
»Ins Bett!«
»Oooch. Bitte, Mami!« Bei diesem Gesichtsausdruck schmolz sie immer dahin. Sie gab nach. »Noch einmal, und dann ab ins Bett – okay?«
»Jaaaaa!«
Alec legte die Teile in den Karton zurück und baute das nächste Spiel auf. Während er damit beschäftigt war, legte sie die Hände vor die Augen und versuchte, still zu beten. Letzte Nacht hatte sie versucht, das Vaterunser aufzusagen und sich dreimal versprochen. In ihrer Kindheit hatte sie über Jahre jeden Abend für ihren Vater gebetet, und jeden Tag ging es ihm etwas schlechter. Irgendwann, lange bevor er gestorben war, hatte sie dann zu Gott gesagt, sie sei sehr enttäuscht von ihm und dass er ihr endlich ein Zeichen geben solle, indem er für ihren Vater etwas Gutes tat, wenn er wolle, dass sie je wieder zu ihm betete.
Aber letzte Nacht, als sie am Tiefpunkt war, hatte sie wieder zu beten angefangen.
Rasputin lief in die Halle und bellte ganz aufgeregt. Einen Augenblick dachte sie, Alec hätte ihn aufgeschreckt, aber das Gebell hielt an.
»Was ist los, alter Junge?«, rief sie.
Der Klang eines Schlüssels, der sich im Schloss drehte, die Tür ging auf, eine Männerstimme. »Hey, Junge! Rasputin! Hey, hey, hey!«
Ross?
Sie hatte den ganzen Tag versucht, ihn zu erreichen, aber was zum Teufel machte er zu Hause? Es war Mittwoch. Er hatte bis Freitag in London bleiben wollen.
Er trat durch die Küchentür, und Alec rannte auf ihn zu und rief außer sich vor Freude: »
Daddy!
Daddeee!«
Ross nahm ihn in die Arme und hielt ihn in der Luft, und der Anblick ärgerte Faith. Vor zehn Tagen hatte Ross ihm einen brutalen Schlag versetzt, und jetzt herzte er Alec, der offenbar alles vergessen hatte.
»Hey, großer Junge! Ich hab dich das ganze Wochenende nicht gesehen! Du hast mir gefehlt. Du bist ja gewachsen! Da habe ich dich neun Tage nicht gesehen, und du bist über zwei Zentimeter gewachsen. Du bist jetzt kein großer Junge mehr, sondern ein riesengroßer!« Er stellte Alec auf den Boden zurück. Seine Miene verdüsterte sich. »Solltest du nicht im Bett sein? Es ist doch schon nach sieben.« Er warf Faith einen vorwurfsvollen Blick zu, die am Tisch sitzen blieb.
»Ich hatte dich nicht erwartet.« Sofort bereute sie, das gesagt zu haben.
»Ah ja. Das also passiert während der Woche, wenn ich nicht im Hause bin. Du lässt
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