Mein bis in den Tod
eine Blutkultur, die mit diesem besonders virulenten Sepsis-Erreger infiziert war, den man nach der Operation bei einer Patientin aus dem Harley-Devonshire-Krankenhaus, die später daran verstorben war, gefunden hatte.
»Und der Erreger reagiert nicht auf Antikörper?«
»Noch nicht«, antwortete sie grimmig. »Hoffentlich handelt es sich um einen isolierten Fall.«
»Irgendeine Idee, wie er übertragen werden konnte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Bis wir es besser verstehen, nein. Die Verstorbene war nur eine Woche in Indien gewesen, bevor sie zu uns kam. Vermutlich hat sie sich dort angesteckt.«
Die Frau, die sich ein Fibrom entfernen lassen wollte, war bei scheinbar guter Gesundheit eingeliefert worden, das wusste Ross. Zwei Tage nach der Operation, durchgeführt von einem der namhaftesten Gynäkologen des Landes, hatte sich bei ihr eine Sepsis entwickelt, vier Tage später war sie tot.
Natürlich herrschte große Sorge seitens des Krankenhauses, dass sie sich die Infektion dort zugezogen hatte, weshalb man größte Anstrengungen unternahm, den Bakterienstamm zu identifizieren.
Niall verschloss die Schale, an der er gearbeitet hatte, erhob sich von seinem Stuhl und ging in den rückwärtigen Teil des Labors. Gleichzeitig meldete sich Dr. Gilliatts Pieper.
Sie entschuldigte sich und eilte zu einem Wandtelefon in ein paar Metern Entfernung.
Ross sah dem Laboranten hinterher. Dann suchte er die Wände und die Decke nach irgendwelchen Hinweisen auf Überwachungskameras ab, konnte aber nichts entdecken. Susan Gilliatt telefonierte.
Er griff nach einer der Petri-Schalen, prüfte, ob der Deckel verschlossen war, und steckte sie in die Hosentasche.
Er versuchte, seine Fassung zu bewahren, und sah sich genau um. Niemand in Sicht, außer Susan Gilliatt, die ihm den Rücken zuwandte. Schließlich streckte er die Hand aus und schob ein paar der Schalen enger zusammen.
Als der Laborant zurückkam, fiel ihm nicht auf, dass etwas fehlte.
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54
I m Krankenhaus Harley-Devonshire gab es zwei Stockwerke mit Operationssälen; im dritten befand sich eine Abteilung mit OP s für kleinere Eingriffe, im vierten eine für größere. Ursprünglich waren in der Klinik überwiegend kosmetische und plastische Operationen durchgeführt worden. Doch die Versicherungsgesellschaft, der die Klinik gehörte, hatte im ersten Stock in die Errichtung der modernsten Intensivmedizinischen Abteilung Londons investiert. Und nun war dort eine lukrative Station für Allgemeine Chirurgie untergebracht, auf der überwiegend gut situierte Patienten aus dem Nahen Osten und zunehmend auch neureiche Russen lagen.
Wie alle Operationssäle im vierten Stock hatte auch Raum 4-2 blau gekachelte Wände, einen gefliesten Boden und einen gut abgetrennten Vorbereitungsbereich zur Desinfektion. Wie es sich für die Preise, die hier für chirurgische Eingriffe genommen wurden, geziemte, entsprach alles in dem Operationssaal dem neuesten Stand der Technik. So gehörte zur Hightechausstattung unter anderem ein Sterilisationssystem, das NASA -Standards entsprach. Erreger konnten nur auf eine Weise in diesen OP gelangen: »huckepack« auf einem Menschen.
Und in diesen Operationssaal schlüpfte in diesem Moment ein ganzer Haufen dieser gemeinen Lebewesen, zu klein, als dass man sie mit bloßem Auge erkennen konnte, in einem versiegelten kleinen Kunststoffschälchen, das tief in der rechten Tasche der Chirurgenhose von Ross Ransome verborgen war.
Es war zwanzig nach zwei. Zwischen zwölf und zwei Uhr hatte Ross in dem kleinen Raum mit Durchgang zu seinem Büro, der sowohl als Untersuchungszimmer als auch als OP diente, fünf kleinere Eingriffe unter örtlicher Betäubung durchgeführt. Um drei sollte er in 4-2 operieren.
Der Operationssaal war leer. Mit Glück blieben ihm rund zehn Minuten, aber er wollte die ganze Sache viel schneller hinter sich bringen. In seinen weißen Clogs ging er zum Desinfektionsbereich, wo ihn selbst jemand, der zufällig durch die kleinen Glas-Bullaugen in den Türen des Operationssaals hineinspähte, nicht sehen konnte.
Er hatte zwar alles genau geplant, dennoch fühlte er sich jetzt verwundbar und allen Blicken preisgegeben. Aus einem Spender entnahm er ein Paar chirurgische Handschuhe und zog sie an. Dann zog er die Petri-Schale aus seiner Tasche hervor, wobei er darauf achtete, sie gerade zu halten, holte tief Luft und schraubte den Deckel auf, den er vorsichtig ins Waschbecken legte.
Immer noch die Luft anhaltend, schob
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