Mein bis in den Tod
er die behandschuhten Finger der rechten Hand in die Bakterienkultur in der Schale, dann kniete er sich hin und wischte die Flüssigkeit an den Ort, den er bereits ausgewählt hatte, rechts neben einer Dichtungsfuge unterhalb des Waschbeckens.
Er stand auf, blickte sich noch einmal kurz nach hinten um, dann drückte er den Deckel der Petri-Schale wieder fest auf und ließ sie in einen Behälter fallen, dessen Inhalt später verbrannt wurde. Er wusch seine behandschuhten Hände zweimal mit Sterilisationsgel, zog die Handschuhe ab und warf auch diese in den Müllbehälter.
Dann verließ er den OP -Bereich und schlenderte in den kleinen Aufenthaltsraum, wo er sich einen Kaffee bereitete.
Um zwei Minuten nach drei wurde Lady Geraldine Reynes-Raleigh an die Infusionsschläuche angeschlossen, danach, mit einem Tubus im Hals, in den OP geschoben und auf den stählernen Operationstisch gehoben. Während Tommy Pearman und sein Assistent sie überwachten, begann das Team, die Patientin vorzubereiten.
Ross stand am Waschbecken und wusch sich ausgiebig Hände und Unterarme, wobei er sorgfältig die Fingernägel schrubbte. Er wollte, dass die anderen sich daran erinnerten. Um ganz sicher zu gehen, sagte er: »Dieses neue Gel stinkt nach billigem Parfüm. Kann man nicht etwas einkaufen, das besser riecht. Um Gottes willen, das hier ist ein Operationssaal, kein Puff.«
Jane Odin, seine OP -Schwester, antwortete: »Das Gel wird zentral bestellt.«
»Und sicher bekommt jemand ein hübsches Schmiergeld dafür.« Ross hielt ihr die Hände hin, damit sie ihm die Handschuhe überziehen konnte. »Das ist doch das Problem, oder? Jeder will ein verdammtes Schmiergeld.«
»Würde mich nicht stören, wenn ich’s bekäme.«
»Für diese Operation nehmen wir Beethovens Fünfte, Jane.«
Sie grinste über seine Wahl. »Ich sehe mal nach, ob wir die haben.«
»Ich hab sie mitgebracht.« Mit einem Nicken deutete er zur Patientin hinüber, die hell beleuchtet unter der OP -Lampe lag. »Ich wäre verdammt, wenn ich zuließe, dass dieses Biest etwas Friedlichem lauscht. Wenn sie uns durch die Mühle drehen will, soll sie dafür leiden.«
»Keine besonders nette Dame, nach allem, was man so hört«, sagte die OP -Schwester und zog ihm den zweiten Handschuh über.
Alle im Raum konzentrierten sich auf die Patientin. Ross setzte seine Maske auf, stahl sich unbemerkt zurück in die Desinfektionsnische, kniete sich hin und berührte mit der linken Hand die Stelle unter dem Waschbecken, wo er vor einer halben Stunde die Sepsisbakterien verschmiert hatte.
Augenblicke später ging er gemächlichen Schrittes zum Operationstisch hinüber. Von Lady Reynes-Raleigh, die unter den grünen Operationslaken lag, war nur die Nase zu sehen.
Voller Wut blickte er auf sie hinab.
Du Miststück, so wie du jetzt unter diesen Tüchern liegst, sieht man, wie alt du bist, du liegst auf dem Rücken, und wegen des Narkosemittels ist jeder Muskel deines Körpers schlaff, und die Schwerkraft zeigt ihre Wirkung. Ich würde dich jetzt gern fotografieren und das Foto an sämtliche Klatschkolumnisten schicken. Was glaubst du wohl, was sie dann von der großen Society-Schönheit halten würden? Ich will dir mal was sagen: So wie du jetzt aussiehst, hättest du dich nie an die Spitze der Gesellschaft gevögelt.
Nach ihrer Beschwerde über die Nasenkorrektur hatte Lady Reynes-Raleigh beschlossen, auch mit seiner Arbeit an ihren Wangenknochen unzufrieden zu sein. Sie wollte unbedingt wie jemand aussehen, den sie in ihren Träumen erblickte – jemand, der sie niemals sein konnte. Denn in Wirklichkeit wollte sie wie sie selbst mit 22 aussehen.
Aber du bist 52, du Schlampe – und jünger wirst du auch nicht. Weil ich dich operiert habe, wirkst du wie 42. Besser geht’s nicht. Wenn du ein anständiger Mensch wärst, würde ich dir eine Gardinenpredigt halten, dir raten, zufrieden zu sein mit dem, was du hast, es zu genießen und aufzuhören, dich nach dem Unmöglichen zu sehnen.
Aber du bist kein anständiger Mensch
.
Der Assistenz-Chirurg fing an, mit Tommy Pearlman über einen Wagen zu reden, den er sich kaufen wollte. Jane Odin fand die CD und legte sie ein. Als die mitreißenden Klänge von Beethovens Fünfter aus den Lautsprechern drangen, stand Ross ruhig da, hielt die linke Hand mit der Handfläche nach innen eng an den Kittel, wobei er aber darauf achtete, ihn nicht zu berühren und dadurch irgendwelche verräterischen Spuren zu hinterlassen.
Er hob den
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