Mein Boss, die Memme
macht Manager langsam, ineffizient und für die Konkurrenz harmlos.
Jenseits der Zahlen
Ist man als Chef der Zahlenkultur in einem Unternehmen hilflos ausgeliefert?
Nein, auf keinen Fall. Gerade, wenn es der Zentrale nur um Zahlen geht, sollte man bei der operativen Arbeit nach Freiräumen suchen, um echte Werte zu zelebrieren. So kann man als Manager nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Mitarbeitern den Blick dafür erhalten, worauf es im Geschäftsalltag wirklich ankommt. Ich habe das zum Beispiel einmal mit folgendem Ansatz praktiziert:
Team-Awards
Vor einigen Jahren, als Chef einer Vertriebsmannschaft, oriÂentierte ich mich â was die Ergebnisse betrifft â stark an den Umsatzzielen in jedem Quartal. Ich war ehrgeizig, wollte die Âgestellten Ziele sogar übertreffen. Dafür förderte ich den ÂJagdinstinkt meiner Leute bewusst. Jeder neu gewonnene Kunde wurde ordentlich gefeiert. Aber ich wollte nicht nach Zahlen malen. Ich wollte, dass wir uns als Team selbst überÂtreffen, ohne dass dabei der menschliche Faktor auf der Strecke blieb.
Am Ende jedes Monats verlieh ich deshalb in meinem Bereich mehrere Awards inklusive attraktiver Sachpreise. Auszeichnungen für besondere Leistungen, die rein gar nichts mit Verkaufserfolgen zu tun hatten. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Ausgezeichnet wurden nämlich vor allem die besten Teamplayer, der kreativste Kopf, der beste Kundenberater.
Die Botschaft an meine Leute: Mich interessieren nicht nur eure Verkaufszahlen. Es geht um mehr. Es geht darum, dass wir ein Team sind, dass wir einander respektieren, genauso wie wir unsere Kunden respektieren. Und dass wir nur gemeinsam erfolgreich sind.
Der Plan ging auf. Irgendwann war für die Verkäufer in meinem Team eine Auszeichnung für kollegiales Verhalten genauso erstrebenswert wie der eigentliche Verkaufserfolg. Aus einem Team egogesteuerter Hard-Seller entwickelte sich so mit der Zeit eine eingeschworene Gemeinschaft.
Innerhalb einer lediglich an Quartalszahlen orientierten Firmenkultur etablierte ich in meinem Team eine Art Gegenkultur â eine Kultur, die auf Beziehungen setzte.
Jeder Team- oder Abteilungsleiter hat die Möglichkeit selbst zu entscheiden, wie mit dem kurzfristigen Erfolgsdruck und der Zahlenmanie der Geschäftsleitung in seinem Bereich umgegangen wird. Es ist eine Entscheidung mit Trag Âweite. Für die Motivation der eigenen Mitarbeiter und für den langfristigen Erfolg beim Kunden.
Dafür aber muss man hinter dem Aktenberg hervorkommen. Man muss die Interessen der Mitarbeiter und Kunden neben den eigenen sehen. Deswegen sind solche Methoden selten: Sie gehören nicht zum Repertoire der Memmen, denn sie erfordern Mut und die Einlassung auf das Menschliche in ökonomischen Transaktionen.
Zu viele Chefs verkennen, dass sich Ideen und Projekte heutzutage nur umsetzen lassen, wenn man die Menschen dafür gewinnt, wenn man sie überzeugt und motiviert. Ehrgeizige Ziele, allein in Zahlen verpackt, begeistern niemanden.
»Wir erhöhen unseren Umsatz um zehn Prozent«, nach einer solchen Ansage brennt niemand vor Euphorie.
»Wir werden zu einem Unternehmen, das Kunden lieben!« ist dagegen eine Botschaft, die weit mehr in einem Menschen auslösen kann. Weil sie einen tieferen Sinn vermittelt, warum ich als Mitarbeiter 100 Prozent geben soll. Auch wenn dieses Ziel sich weit weniger gut messen lässt.
Das Problem vieler deutscher Manager: »Sie sind auf Prozesse fixiert statt auf die Menschen dahinter«, wurde Prof. Felix Brodbeck von der Ludwig-Maximilian-Universität MünÂÂchen 2008 in Klaus Werles Artikel »Die Manager-Klone« zitiert. Der Kontext seiner Aussage: In der internaÂtionalen Globe-Studie 2008, zu deren Initiatoren Brodbeck gehörte, waren deutsche Manager beim Punkt »Humanorientierung« auf einem der hinteren Plätze gelandet.
Sklaven der Zahlengläubigkeit sind aber nicht nur die Manager in den Unternehmen, sondern auch die Unterneh mensberatungen, die das Blatt wenden sollen, wenn die Rech Ânerei nicht aufgegangen ist. Paradoxerweise blenden auch sie den Faktor Mensch meist beinahe völlig aus. So treiben sie das System der menschenscheuen Zahlenfetischisten noch voran, anstatt ihm wenigstens dort Einhalt zu gebieten, wo es ohnehin schon nicht funktioniert hat.
Ich erinnere mich gut an meine erste Vorstandssitzung zur Auswertung einer solchen
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