Mein Boss, die Memme
Mitarbeiter unter einem Lamento an Entschuldigungen eben nachträglich schlechter bewertet, als er oder sie es eigentlich ist.
Ein Ego-Shooter, der seine Mitarbeiter ausquetscht wie eine Zitrone, der hat mit einem Bewertungssystem ein hervorragendes Werkzeug. Wer als Mitarbeiter nicht spurt, fühlt die Konsequenzen in Form einer schlechten Bewertung und damit oft genug auch auf dem nächsten Kontoauszug.
Ein distanzierter, rational agierender und deshalb häufig auf Zahlen fixierter Sozialallergiker lässt allein die nackten Ergebnisse sprechen. Es erscheint objektiv. Aber was seine Mitarbeiter sonst noch alles bewegen und an Positivem geleistet haben â der Einsatz für das Team, die Hilfe für Kollegen, das Gespür für den Kunden â das spielt keine Rolle. Solche Chefs nehmen so etwas ja gar nicht wahr.
Der Versuch der Human-Ressource-Abteilungen, die Beziehungen und die subjektiven Eindrücke der Chefs aufwändig zu objektivieren, zielt an der Wirklichkeit meilenweit vorbei.
Das Bauchgefühl: Idee versus Arithmetik
Lassen sich in einem Unternehmen, in dem der Geist der Zahlen herrscht, neue Ideen entwickeln, die Zeit brauchen? Das ist nur schwer vorstellbar.
Wenn Umsatzprognosen von der Realität eingeholt werden, dann verliert die Geschäftsführung beim Ãberfliegen der Zahlen sehr schnell die Ruhe. Diesen Eindruck bekam ich zumindest, als ich mich als junger Geschäftsführer daran machte, eine Geschäftsidee in die Wirklichkeit umzusetzen.
Keine Zeit für Innovationen
Als ich Geschäftsführer eines deutschen IT -Dienstleisters wurde, brachte ich eine innovative Geschäftsidee mit. Ich legte dem Vorstand meinen Businessplan mit den angestrebten Umsätzen für die nächsten Quartale vor. Mir war klar, dass ich diese Idee sowohl intern als auch im Markt erst mal durchsetzen musste. Das brauchte eine gewisse Zeit.
Die ersten Reaktionen von groÃen Unternehmen waren vielversprechend. Dennoch lief es mit dem Gewinn neuer Kunden schleppender an als gedacht. Als die ersten Fachzeitschriften anfingen, unser Konzept euphorisch zu besprechen und wir zugleich zusammen mit einem GroÃkunden das Modell begannen Wirklichkeit werden zu lassen, war der Durchbruch zum Greifen nah.
Der Vorstand sah das allerdings anders. Wir hatten den im Businessplan auf den Euro genau anvisierten Umsatz für das erste Jahr nicht erreicht. Dass wir auf dem besten Wege waren, dies in den nächsten Quartalen nachzuholen, spielte keine Rolle. Meine Idee wurde ad acta gelegt und ich auf die StraÃe gesetzt. Erst als die Konkurrenz unser Konzept dann mit längerem Atem erfolgreich in die Tat umsetzte, holte man einige Jahre später meine Idee wieder aus der Schreibtischschublade.
Die Realität hält sich eben nicht immer an einen vorher fein auskalkulierten Plan. Dass der umso gröÃere geschäftliche Erfolg einer neuen Idee auch mal einige Quartale mehr braucht, leuchtet zahlenhörigen Chefs selten ein. Eine Abweichung von einmal schwarz auf weià vorgelegten Prognosen wird von pedantischen Chefs, die ihre Nase nicht in den Wind ihrer Märkte heben und nicht an innovative Ideen glauben, nicht hingenommen. Denn dafür müssten sie nicht den Zahlen, sondern ihrem Geschäftsinstinkt vertrauen â für von kurzfristigen Erfolgsmeldungen abhängige Memmen-Chefs ein geradezu irrationales Wagnis.
Was mir im Kontakt mit deutschen Führungskräften immer wieder auffällt: Viele verfügen nicht über dieses wichtige Talent, das es im Unternehmertum lange Zeit gab: Entscheidungen aus dem Bauch heraus zu treffen.
Dabei sind solche Entscheidungen alles andere als unlogisch. Kulminieren in ihnen doch unsere eigenen Erfahrungen und das kulturelle Wissen, das wir seit Kindesbeinen an in uns aufnehmen, verarbeiten und weiterentwickeln.
Das Bauchgefühl ist nicht nur schneller, wenn im Geschäftsalltag eine Entscheidung her muss. Es ist sehr oft auch treffsicherer. Wenn wir beispielsweise einem Verhandlungspartner gegenübersitzen, der eine Entscheidung von uns erwartet, haben wir vielleicht die Chance, aus der Situation heraus einen super Deal zu machen. Wenn wir ihm aber erklären, dass wir erst noch zwei Wochen lang Statistiken vergleichen und unseren Boss um Erlaubnis bitten müssen, ist die Gelegenheit oft genug einfach weg.
Im System der Kontrolle aber sind Bauchentscheidungen nicht vorgesehen â und das
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