Mein Boss, die Memme
Chef klar machte, dass ich nun, mit Ende Zwanzig, eine offizielle Führungsposition wollte, löste ich damit keine Begeisterung aus. Meine Verkaufserfolge hatten nicht nur mich selbst zum Millionär gemacht, sondern auch meine Vorgesetzten reich beschenkt. Jeder von mir verkaufte Megabyte an Speicher machte sich in Form der Provision auch in den Taschen meiner Chefs bemerkbar. Sie profitierten satt von meinen Gewinnen.
Als ich in das ablehnende Gesicht meines Vorgesetzten blickte, war mir klar, dass mein Erfolg eine Garantie dafür war, dass sie mich in dieser Firma niemals aufsteigen lassen würden. Sie wollten an mir verdienen â und keine ehrgeizige junge Führungskraft als neuen Konkurrenten hinzugewinnen, der unter Kundenbetreuung mehr verstand, als bloà so viele Produkte wie möglich an den Mann zu bringen.
Klar, ich verdiente viel Geld. Aber das reichte mir nicht als Entschädigung, um für solche Memmen zu buckeln. Sie ahnen es schon: Ich blieb nicht mehr lange.
Im Karriere-Kamin: Wenn die Firma
an der Abteilungsgrenze endet
Viele Führungskräfte im mittleren Management steigen auf wie der Rauch in einem Kamin: senkrecht nach oben. Aus einem Techniker wird irgendwann der Teamleiter Technik. Aus einem Verkäufer wird irgendwann ein Chef-Verkäufer. Aus einem Berater ein Senior-Berater. Und so weiter.
Und so spezifisch wie sich diese Führungskräfte in ihrem Bereich immer weiter nach oben boxen, so blind werden sie im Laufe ihrer Karriere für das groÃe Ganze. Die wahrgenomÂmene Firmenwelt, sie endet an der eigenen Team-, Abteilungs- oder Bereichsgrenze.
Deshalb hat der Stillstand in so mancher Abteilung nicht nur mit den Eigeninteressen der Führungskräfte zu tun, sondern auch mit deren begrenztem Horizont.
Ein kluger Kopf meinte einmal zu mir: »Es ist, als stiegen alle in einem Turm nach oben und sehen dabei nur hoch oder nach unten, aber nie hinaus.« Was für die Mitarbeiter dieser Memmen mit Scheuklappen zum Horrortrip werden kann. Denn im Karriere-Kamin der Tunnelblicker können sie schnell verbrennen. Genau das befürchtete auch diese Dame, als sie mir ihr Leid klagte:
Für immer Print
»Seit einem Jahr arbeite ich in der Kommunikationsabteilung einer groÃen Versicherung. In meinem Bereich erstellen wir die Informationsbroschüren für unsere Kunden. Für jedes Produkt, für jedes Thema. Da kommen im Jahr einige Publikationen in Millionenauflage zusammen. Nicht zuletzt dank der Kompetenz unseres Chefs, der sich in jedem Detail auskennt, schaffen wir es immer, unsere engen Drucktermine einzuhalten.
Als Berufseinsteigerin bin ich in einem Trainee-Programm, bei dem ich auch in engen Kontakt mit Auszubildenden anderer Abteilungen komme. Für mich war es zum Beispiel interessant zu sehen, dass in Sachen Werbung immer mehr digital abläuft. Das heiÃt, ein Teil der Kampagnen unseres Unternehmens setzt auf Aktionen in sozialen Netzwerken, auf E-Mails oder Werbebanner auf Websites. Der Anteil klassischer Print-Anzeigen in Magazinen und Zeitungen schwindet rasant.
Es liegt ja auch auf der Hand, dass wir bald vieles, was wir heute noch auf gedrucktem Papier lesen, demnächst digital konsumieren werden. Als ich meinen Chef darauf ansprach, ob wir in unserer Abteilung nicht überlegen sollten, wie wir uns darauf einstellen, winkte er nur ab. Das, was die Werber machen, würde ihn nicht interessieren. Die machten ihr Ding, wir unseres. Fertig. Zumindest im Moment kann er damit in seiner Position noch gut leben. «
Elke W., Kommunikationswirtin
In den letzten 25 Jahren habe ich mehr als einmal auch die Vorteile dieser deutschen Beförderungspolitik gesehen: Hier wird der gröÃte Experte im Team zum Chef. Einer, der ein Thema in seiner vollen Tiefe bis ins letzte Detail durchdringt. Noch öfter allerdings habe ich mich über den Nachteil dieses Qualifikationsdogmas geärgert: Zur Seite, über die Grenzen des eigenen Themas hinweg, verschwenden viele dieser Experten meist keinen Gedanken.
Um Innovatives zu leisten, um seinen eigenen Bereich im kleinen Rahmen zu revolutionieren, müssen Menschen wie Unternehmen sich neuen Erfahrungen aussetzen. Nicht nur den fachlichen, sondern auch denen, die die Welt da drauÃen noch so zu bieten hat. Die bleibt nämlich genau so wenig stehen wie die Entwicklung der Fachgebiete.
Für Führungskräfte bedeutet das: Sie müssen über den
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