Mein Boss, die Memme
klären.
Längst arbeiteten diverse Teams an der Umsetzung. Netzwerktechniker kümmerten sich um den Ausbau der Leitungen. Internet-Experten um die Gestaltung und Handhabung der Bildschirmoberfläche des Internet-TVs. Content Manager und Redakteure dachten sich die Inhalte und Formate für das revolutionäre Entertainment-Projekt aus. Für alle Beteiligten ging es bereits um die konkrete Umsetzung.
Als ich meinem Auftrag nachkam und die Kosten kalkulierte, kam eine Zahl heraus, die mit ihren vielen Nullen den hauptverantwortlichen Geschäftsführer sichtbar erschreckte. Mir war bereits in diesem Moment klar, dass das Projekt keine Zukunft haben würde. Erst recht, als die Konzernleitung eine Internet-Tochterfirma verkaufte und verkündete, sich aus dem digitalen Geschäft zurückziehen zu wollen.
Ich begann mich schon nach einem neuen Job umzusehen, als ich bemerkte, dass immer noch jede Woche Rechnungen in Millionenhöhe auf meinen Tisch flatterten. Die Redakteure, Netzwerktechniker und Internet-Entwickler â jeder Teamleiter lieà seine Gruppe wie besessen weiter an ihrem Projekt arbeiten. Und eifrig stellten ihre Chefs Anfragen für Teilprojekte, um sich weiterhin ihr Budget zu sichern. Dass ihr Konzern gerade dabei war, einen neuen Weg einzuschlagen, interessierte das jemanden? Die Devise schien eher: Wir machen einfach weiter. SchlieÃlich gilt für den Joberhalt: Wer Geld ausgibt, der muss wichtig sein. Verzweifelt klammerten sie sich an ihre Posten und ignorierten einfach die Realität.
Geldverbrennen als Bestandsschutz für den eigenen Bereich. Das Festkrallen in eine Aufgabe, möge sie noch so sinnlos Âgeworden sein. Denn wenn es die nicht mehr gibt, dann könnte man wertlos sein. Von was für einem Ego zeugt das denn?
Was aber, wenn die ganze Energie rechtzeitig in neue Ideen und Projekte gelenkt würde? Um die eigene Daseinsberechtigung auf diese Weise zu behaupten? Das erfordert Mut und Risikobereitschaft, die viele Manager nicht aufbringen wollen oder können. Weil sie lieber dem vertrauen, was sie bisher erfolgreich gemacht haben.
Selbst wenn die eigene Heldentat schon einige Jahre zurückliegen mag: Von einem einmal erfolgreichen Trick lässt sich zur Not lange zehren.
Auf ewig: das One-Trick-Pony
Es ist erschreckend, wie viel Energie und Geld durch Chefs verloren geht, die die Kraft ihres ganzen Teams in immer denselben falschen Kanal lenken. In ein Projekt, das sich längst nicht mehr lohnt. In eine Idee, die von vorvorgestern ist. Diese leidgeprüfte Werbekauffrau musste es erleben:
Eine Idee für die Ewigkeit
»Für unseren Chef scheint die Zeit still zu stehen. Vielleicht hat er irgendwann mal davon geträumt, vom Leiter eines kleinen Teams zum Geschäftsführer Marketing aufzusteigen. Aber das muss lange her sein. Seit zehn Jahren klebt er jetzt schon in seinem Sessel. Und dabei scheint ihm jede Lust auf neue Ideen Âabhandengekommen zu sein. Das Problem: Wir vermarkten Zigaretten, da kannst du nur mit kreativen Einfällen punkten.
Jedes Mal aber, wenn die Etats für das nächste Jahr verabschiedet werden, kommt er wieder mit seiner alten Geschichte. Den Strandaschenbechern. Das war mal ein toller Einfall. Damals, im ersten Jahr. Aber immer und immer wieder? Jahr für Jahr, überall an den Stränden lassen wir die gut sichtbaren Aschenbecher im Markenlook unserer Firma aufstellen. Das passende Promotion-Material dazu, Bilder für die Presse und so weiter. Die Aktion verschlingt jedenfalls Geld und das gesamte Team hat ordentlich zu tun. Das macht sich natürlich gut bei den eigenen Chefs: Immer wieder stimmen sie der gleichen Idee zu, anstatt etwas Neues einzufordern. Alles scheint so wunderschön berechenbar.
Und vor allem: die Nachbarabteilungen, von denen einige richtig innovative Konzepte auf den Tisch legen, schauen häufig in die Röhre. Denn im Zweifelsfall wird das Geld lieber in das Bewährte gesteckt. Und so bleibt das Budget wie gehabt bei uns. Unser Chef hat scheinbar überhaupt keine Motivation mehr, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Ich stelle mir vor, wie er sich abends ins Fäustchen lacht: Wieder ohne Aufwand durchs Jahr gekommen.
Was ihn und erschreckenderweise auch die Geschäftsführung überhaupt nicht zu interessieren scheint: Die Aktion hilft dem Image unserer Marke längst nicht mehr weiter. Das könnte man auch an den
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