Mein Boss, die Memme
Marktforschungsergebnissen erkennen, wenn man sie richtig interpretieren würde. Die aber in seinem Sinne umdeuten, das kann unser Chef wunderbar. Da fassen sich viele in unserem Team an den Kopf. Wir alle sind leidenschaftliche Werber. Wir würden gern etwas Neues auf die Beine stellen. Aber wir dürfen nicht. «
Charlotte N., Werbekauffrau
One-Trick-Pony  â so nennt man eine solche Erfolgsstrategie im Englischen. Das kann eine einzelne Führungskraft sein oder ein ganzes Unternehmen, die immer wieder nur auf eine einzige Idee vertrauen, die gut funktioniert.
Als solle der einmalige Erfolg für alle Zeiten konserviert werden. Bloà nichts Neues, bloà kein Risiko, fauchen die Memmen im Chor, wenn jemand widerspricht. Was sie in ihrer Angst vor dem Imageverlust ignorieren: Dieses Konservieren kostet langfristig mehr, als es einbringt. Es nimmt den Mitarbeitern die Zeit, sich für neue Ideen einzusetzen. Es nimmt Unternehmen Geld, dass sie in die konservierende Arbeit ihrer Mitarbeiter investieren statt in Innovation. Zum Beispiel in die besseren, aber noch nicht erprobten Ideen der Nachbarabteilungen.
Führungskräfte, die irgendwann in ihrer Karriere stecken bleiben, krallen sich nicht nur ängstlich in ihren Chefsessel fest, sondern auch an die Ideen, die sie einstmals dorthin gebracht haben.
Und wehe, jemand zweifelt an der Zukunft der Idee. Dann kommt das Totschlagargument der Erfahrung: Der Boss weià schlieÃlich, wie es mal funktioniert hat. Aber niemand, schon gar nicht ein junger Emporkömmling, könnte wissen, wie es in Zukunft funktionieren wird.
Wenig verwunderlich, dass diese Memmen-Fossile in den Unternehmen von schierer Panik ergriffen werden, wenn die Veränderung sich nicht so leicht abschmettern lässt: Nämlich dann, wenn sie von oben verordnet wird.
Blutarmut: Wenn kein Funke überspringen will
Change-Projekte sind längst nichts Neues mehr auch im deutschen Management. Doch viele Vorstände wundern sich bis heute: Da werden Veränderungsprojekte mit groÃem Tamtam vorgestellt. Man gibt sich alle Mühe. Und wie reagiert die Management-Basis? Desinteresse ist noch die mildeste Form der Ablehnung. Und geht man der mangelnden Euphorie auf den Grund, stöÃt man schnell auf die direkten Vorgesetzten der Teams. Sind sie es nicht, die das Feuer von oben nach unten weitertragen sollten?
Diesen Mechanismus des Memmen-Biotops verdeutlicht folgender Blick durch die Kamera eines Redakteurs, der interne Veränderungsprojekte im Auftrag von Firmen begleitet:
Ein Tropfen Begeisterung
»Der PR-Mensch des groÃen Unternehmens führt uns in das Vorhaben ein. Eine ganz groÃe Geschichte soll es werden. Eine Revolution. Der Vorstand will eine neue Kultur im Unternehmen, mit der man ehrgeizige Ziele noch besser angehen könne. Mein Filmteam soll das Change-Projekt begleiten und festhalten. Los geht es mit dem Auftritt des Vorstandschefs in der FaÂbrikhalle. Botschaft: Unser Boss ist nah dran.
Wir warten vor der Werkshalle. Der Vorstand kommt. Nein, er wolle nicht beim FuÃmarsch aufgenommen werden. Neuer Dreh: Er lässt sich von seinem Chauffeur die 200 Meter vom Verwaltungsgebäude zur Fabrik fahren. Sieht besser aus. Das meint zumindest er.
Drinnen geht es weiter. Die Maschinen lärmen. Männer in Arbeitskleidung schauen neugierig. Ja, jetzt der Vorstand an der Maschine, schönes Bild. Nein, das sei nicht entspannt genug. Das passt nicht zum neuen Ansatz. Der Chef lehnt sich leicht schräg mit verschränkten Armen an die gröÃte Maschine in der Halle. Es soll cool und zugleich locker aussehen. Die Mitarbeiter schauen sich fragend an.
Als Nächstes soll das Programm verkündet werden. Vorstand an versammelte Bereichsleiter. Bereichsleiter an Teamleiter. Diese an ihre Teams. Von oben nach unten, klare Sache.
Auftritt Vorstand vor Bereichsleitern. Kamera läuft. Erster Satz Vorstand: »Ich brauche mich hier ja nicht vorstellen. Sie kennen mich.« Der PR-Mensch zu mir: »Nun, persönlich hat der Vorstand nicht so viel mit dem mittleren Management zu tun. Aber natürlich werden regelmäÃig von oben Vorgaben verschickt.« Aha.
Die Manager hören sich das Ganze schweigend an, folgen den Charts und den mit Zahlen gespickten Ausführungen ihres obersten Bosses. Und hören von den Werten, auf die es in ihrem Unternehmen ankommt. Das Miteinander. Die Initiative jedes Einzelnen. Das
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