Mein Boss, die Memme
Angstfaktor, der auf dem Memmen-Biotop lastet: Wo alles am Tageswert einer Aktie hängt, wird jeden Tag mit dem Schlimmsten gerechnet. Geborene Leader kann dieser Druck beflügeln. Bei Memmen löst er Paranoia aus. Ein ganzes Memmen-Biotop versetzt er in einen Zustand permanenter Panik. Reagiert wird mit hektischem Aktionismus. Und der ist selten das richtige Klima für souveräne Führung.
Es ist ein schwindelerregender Mix, der als Geist durch das Unternehmen rauscht: die technologische Revolution im Verbund mit sich schnell verändernden Märkten und der Gier nach der kurzfristigen Rendite.
Ein Geist, der von auÃen in das Unternehmen dringt und von oben nach unten, der auf dem Weg von der Chefetage bis zu den einzelnen Abteilungen an Fahrt aufnimmt. Von auÃen als Herausforderung des Wettbewerbs und als Erwartung der Shareholder kommend, wird er von UnternehmensÂführern in Form ehrgeiziger Vorgaben an das untere Management und die Mitarbeiter weitergegeben und dessen Erfüllung genau kontrolliert. Und so wird der rasante Takt, in dem Manager im Alltag agieren müssen, vom Druck der Shareholder nach kurzfristigen Gewinnsteigerungen weiter befeuert.
Aber es ist auch ein Druck von unten. Von den Mitarbeitern, die ihre Erwartungen, ihre Fragen, ihren Unmut und ihre Unsicherheit an ihre Vorgesetzten zurückgeben. An Vorgesetzte, deren emotionale Distanz und mangelnde Empathie und Authentizität keine Beziehungen zulassen, die diesen täglichen Herausforderungen standhalten könnten.
Das Ergebnis ist ein alltägliches Hamsterrad, in dem Mitarbeiter und Chefs oft auch nach 60 Wochenstunden und mehr noch immer in Bewegung sind. Doch wer ist hier als Chef Täter und wer Opfer? Das ist nicht immer so leicht zu erkennen.
Die folgenden Geschichten handeln von Memmen-Chefs, die diesem Druck erliegen und beim Mitrennen gänzlich den Ãberblick verlieren. Aber auch von solchen Memmen, die den Druck aus eigener Kurzsichtigkeit und der Bereitschaft zur Selbstaufopferung noch forcieren. Und von Mitarbeitern, die sich beiden Arten von Memmen hilflos ausgeliefert fühlen.
Die Ãberforderten
Die Chefposition bringt es mit sich, dass man Teil eines komplizierten Beziehungsgeflechts wird. Unter sich die Mitarbeiter, über sich den eigenen Vorgesetzten, daneben die Chef-Kollegen, von auÃen Kunden und weitere Parteien. Als Chef ist man also mit vielen verschiedenen Interessen konfrontiert. Diese zu bedienen und dabei seine eigenen nicht zu vernachlässigen, ist eine besondere Herausforderung. Vor allem, wenn alles auf einmal und am besten schon gestern fertig sein soll.
Beziehungs- und Interessenkonflikte als Multitasking-Aufgabe unter Zeitdruck zu managen, das treibt so manchen Chef an seine Grenzen. Wem und was schenkt man seine kostbare Aufmerksamkeit? Hier der Erfahrungsbericht eines Management-Coachs:
Der Flüchtling
»Wenn ich in einem Unternehmen Interviews mit Führungskräften und Mitarbeitern führe, weil irgendwo gerade etwas gewaltig schiefläuft, dann ist es oft erstaunlich, wie unterschiedlich die Probleme wahrgenommen werden. Das zeigt sich, wenn man die unabhängig voneinander gegebenen Antworten gegenüberstellt:
Chef: »Ich fühle mich oft zu unrecht kritisiert. SchlieÃlich leiste ich oft 60 Stunden die Woche und mehr. Ein Meeting jagt das nächste. Und dennoch habe ich für die Belange meiner Mitarbeiter immer ein offenes Ohr. Und sei es per Handy.«
Mitarbeiter: »Die Aufmerksamkeitsspanne unseres Chefs beträgt meist nur ein paar Sekunden. Zeit, die er braucht, um zu kapieren, um was es eigentlich gerade geht. Dann ruft meist schon der nächste Termin. Weg ist er, und ärgert sich auf dem Weg nach drauÃen noch, dass er wieder mal zu spät kommt.«
Chef: »Leider summieren sich die Verspätungen im Laufe eines Tages.«
Mitarbeiter: »Dass gerade die von uns gewünschten Gespräche gerne verschoben werden, das fällt ihm oft nicht auf, uns daÂgegen schon.«
Chef: »Ich denke schon, dass ich meinen Mitarbeitern alles Wichtige mitteile. In einer knappen und kurzen Form, selbstverständlich. Deshalb wundere ich mich manchmal über die dauernde Nachfragerei.«
Mitarbeiter: »Seine Vorgaben sind oft kryptisch. Uns bleibt dann nichts anderes übrig, als weitere Informationen zu erkämpfen. Per Mail oder SMS . SchlieÃlich schaut er am Ende immer haargenau drauf, was wir
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