Mein Boss, die Memme
meines Teams ohne Wenn und Aber einzutreten. Sie in Schutz zu nehmen vor den Zumutungen einer wirklichkeitsfremden Firmenpolitik. Das sind die Momente, in denen eine Führungskraft Profil gewinnen kann und muss. In denen die Mitarbeiter ihr Urteil fällen: Haben wir es mit einem Helden oder einer Memme zu tun?
Verrat: alles oder nichts
Ein Chef, der vorm Kunden einknickt. Ein anderer, der die Schuld für eine verpatzte Präsentation seinen Mitarbeitern gibt. Eine erfolgreiche Meuterei gegen die AnmaÃungen der Zentrale. Das alles ist nichts gegen die Situationen, in denen wir Mitarbeiter das Gefühl haben, dass es um alles oder nichts geht. Dass wir ohne den Beistand unseres Chefs auf ganzer Linie scheitern werden. Wie diese Kommunikationsberaterin, die im Angesicht des Scheiterns von ihrem Boss völlig im Stich gelassen wurde:
Ein Fähnlein im Wind
»Als unsere Agentur den Auftrag bekam, herrschte die absolute Euphorie. Der Bürgermeister hatte beschlossen, die Vorzüge unserer Stadt der bundesweiten Ãffentlichkeit zu präsentieren. Und wir sollten die Imagekampagne inszenieren. Ein Volltreffer für unser Team.
Mit vollem Elan gingen wir an die Entwicklung eines Imagefilms. Unser direkter Ansprechpartner, der Vertreter der Abteilung Stadtmarketing, war begeistert von dem Drehbuchentwurf. Das würde ein Höhepunkt der Kampagne werden. Und tatsächlich entstand in enger Abstimmung mit unserem Kunden ein auÃergewöhnlicher Film mit Ecken und Kanten.
Ich fieberte der Premiere entgegen: Der Film sollte vor weiteren Verantwortlichen sowie einigen Honoratioren der Stadt vorab in einem Kino gezeigt werden.
Der Abend begann gut. Die Herrschaften standen in kleinen Gruppen zusammen, hatten sich offenbar viel zu erzählen und tranken ordentlich. Leider dauerte es deshalb auch länger als geplant, bis der Film endlich gezeigt werden konnte. Einige der Anwesenden zeigten sich schon erbost und waren kurz davor einfach zu gehen.
Bis es schlieÃlich losging, war die Stimmung schon merklich gedämpft. Ein ungünstiger Moment für einen mutigen Film. Als es im Saal wieder hell wurde, fiel der Applaus verhalten aus.
Die Zuschauer waren kaum aufgestanden, da begann bereits die Diskussion. Auf der einen Seite ein Vertreter einer weiteren Agentur, zuständig für etliche WerbemaÃnahmen der Stadt. Auf der anderen Seite mein Chef und ich. Und mittendrin unser irritierter Kunde vom Stadtmarketing.
Der Leiter der anderen Agentur, berühmt für ihre Kreativität, sah sofort seine Chance, das ganze Filmprojekt nach seinen Vorstellungen neu aufzurollen. Dem Kunden sah man die Unsicherheit an, die die Reaktionen ausgelöst hatten. Ich schaute auf meinen Boss neben mir und erwartete, dass er etwas erwiderte. Dass er alle Parteien beruhigte und empfahl, eine Nacht darüber zu schlafen. SchlieÃlich war er von dem Projekt aus vollem Herzen überzeugt, wie er immer wieder betonte.
Doch was machte der Mann? Er hielt seine Nase in den Wind, nahm Witterung auf, sah den selbstsicheren Vertreter der anderen Agentur und kippte um, ohne der zum Teil haarsträubenden Kritik auch nur einmal widersprochen zu haben. Ja, man werde sehr gern gemeinsam mit der anderen Agentur einen neuen Anlauf machen, hörte ich ihn sagen. Ich konnte es nicht fassen. Er beerdigte unsere Arbeit, ohne mit der Wimper zu zucken. Als ich ihn anstarrte, flüsterte er mir nur zu: »Vergiss den Film«. Einen Film, in den seine Mitarbeiter drei Monate Arbeit investiert hatten, und auf den er selbst eben noch zum Platzen stolz gewesen war. Wir fühlten uns verraten. «
Britta S., Kommunikationsberaterin
Es gibt in unserem Arbeitsleben Aufgaben und Projekte, in die wir unser Herzblut investieren. Für die wir alles geben, weil wir überzeugt davon sind. Vor allem, wenn ein vor Begeisterung übersprühender Chef uns zu Ãberzeugungstätern macht.
Wenn derselbe Chef aber beim leisesten Anflug von Kritik vor unseren ungläubigen Augen mit wehenden Fahnen die Seiten wechselt, wirft er nicht nur unsere gemeinsame Arbeit auf den Müllhaufen, sondern vernichtet auch jegliches Vertrauen in seine Integrität. Unser Glaube an seine Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit nimmt in diesem Moment irrepaÂrabel Schaden.
Die Illoyalität der Führungskräfte, ihre Flucht vor der Verantwortung wird als Verrat an der gemeinsamen Sache empfunden. Die Memme ist entlarvt, und sein
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