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Mein Boss, die Memme

Mein Boss, die Memme

Titel: Mein Boss, die Memme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick D. Cowden
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Ansehen im Team wird sich nicht mehr so leicht erholen.
    Das Nonplusultra in Sachen Flucht und Verantwortungslosigkeit habe ich in einem kleinen Unternehmen erlebt, wo ich es am wenigsten erwartet hätte.
    Zwei junge Firmengründer hatten mich überzeugt, meine Stelle bei einem großen Konzern aufzugeben und als Vorstand zu ihrem Startup-Unternehmen zu wechseln. Was ich dort erlebte, übertraf noch meine kühnsten Erfahrungen mit Memmen-Bossen:
    Abgehauen
    Als ich an meinem ersten Arbeitstag durch die aktuellen Projekte klickte, fühlte sich meine Entscheidung noch besser an. Ich war überzeugt: Hier entstand die neue Internet-Welt.
    Die Atmosphäre in unserem weitläufigen Großraumbüro auf St. Pauli war entspannt und zugleich energiegeladen. Alle Mitarbeiter, mich eingeschlossen, hatten selbst Geld in das Unternehmen investiert. Jeder wusste also, für wen und was er arbeitete, und tat es gerne.
    Nach sechs Wochen fand ich allerdings etwas, das mir weit weniger gefiel. Unsere Zahlungseingänge gingen seit kurzem stark zurück. Die Folge: Unsere Liquidität schwand dahin.
    Nur ein paar Tage später verschärfte sich die Situation. Unser wichtigster Investor, eine Venture-Capital-Firma, war am Ende. Statt der vereinbarten sechs Millionen erhielten wir nur noch die Hälfte. Als ich das erfuhr, blieb mir kurz die Luft weg. Die Schlinge zog sich schnell enger. Wir mussten umgehend handeln. Jetzt brauchten wir dringend Unterstützung.
    Gemeinsam ging die Führungsetage zur Bank. Die zwei Gründer, der zweite Vorstand, eines der Aufsichtsratsmitglieder und ich.
    Wir stellten den Bankern den Sanierungsplan vor, das große Potenzial unseres Unternehmens und seine Aussichten. Sie waren bereit, die Finanzierungslücke zu schließen. Es gäbe da eine Bedingung, die noch zu erfüllen sei. Nichts Großes. Die beiden Gründer sollten nur ihr Firmendarlehen, das sie sich zurückgeholt hatten, wieder einzahlen. Als Zeichen dafür, dass sie selbst an unseren Sanierungsplan glauben würden.
    Firmendarlehen? Zurückgeholt? Das hörte ich zum ersten Mal!
    Es ging um keine große Summe. Die Banker wollten lediglich sehen, dass die beiden Gründer selbst noch hinter ihrer Firma und dem Sanierungsplan standen.
    Ich schaute die beiden an.
    Â»Nein, das haben wir nicht vor.«
    Die Antwortet verschlug mir die Sprache. What the hell! Was sollte das? Ich warf den beiden einen irritierten Blick zu. Es war nicht zu fassen: Sie wollten das Darlehen nicht wieder einzahlen. Es ging um eine lächerlich kleine Summe im Vergleich zu dem, was die beiden sich wahrscheinlich schon durch ihre Firma in die Tasche gesteckt hatten. Ein paar Sekunden, dann explodierte die Wahrheit in meinem Kopf. Sie hatten sich entschlossen, ihre Firma gegen die Wand fahren zu lassen. Einfach so. Und mit ihr alle Mitarbeiter. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber damit? No way!
    Angesichts der Weigerung Farbe zu bekennen war die Bank nicht bereit, uns bei der Sanierung des Unternehmens zu helfen. Ich wusste, ich würde von meinem Geld, meiner privaten Großinvestition, nichts mehr wiedersehen. Die beiden jungen Gründer hatten das Geld ihrer Mitarbeiter gestohlen, um ihre eigenes Kapital in Sicherheit zu bringen. Das Unternehmen stand vor der Insolvenz. Vor dem Nichts.
    Als ich am nächsten Morgen die Mitarbeiter zusammenrief und das Wort Insolvenz aussprach, hatte das die Wirkung eines Dammbruchs. Der trotzige Kämpfergeist der vergangenen Tage, der uns als Team noch mehr zusammengeschweißt hatte, verflüchtigte sich von einer Sekunde auf die nächste.
    Die Angst, die vorher nur unterschwellig zu spüren gewesen war und von der Motivation aller Mitarbeiter im Zaum ge­halten worden war, gewann innerhalb eines Moments die ­Oberhand. Die beiden Gründer aber, die uns alles eingebrockt hatten, waren nicht auffindbar. Monate später, als die Staatsanwaltschaft wegen Veruntreuung gegen sie ermittelte, erfuhr ich, dass die beiden kurz nach dem Banktermin abgehauen waren. Sie versteckten sich auf den Bahamas. Es war wie in einem schlechten Krimi.
    Wenn ein Unternehmen gegen die Wand knallt, löst das bei den Ratten auf der Brücke des Memmen-Mutterschiffs eine sprichwörtliche Reaktion aus: den Fluchtreflex. Nichts wie runter vom sinkenden Schiff. Das dachten sich nicht nur die beiden Gründer, sondern nach dem desillusionierenden Treffen in der Bank auch die Mitglieder

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