Mein Boss, die Memme
angetrieben werden. Die sich im Angesicht der Bedrohung nicht vor ihr Team stellen. Regelrecht gelähmt vor Angst wollen sie eines in ihrer Karriere bitte niemals erleben müssen: das eigene, vollkommene Schei Âtern.
Aber kann man einfachen Führungskräften dafür einen Vorwurf machen, wenn sich das eigene Top-Management seiner Verantwortung nicht stellt und aus jeder Niederlage herauszuwinden versucht?
Männer wie Hartmut Mehdorn, ehemaliger Chef der deutschen Bahn, leben das Memmentum auf hohem Niveau vor. Als herauskam, dass seine Mitarbeiter ausspioniert wurden, stellte er sich hin und behauptete, er habe von nichts gewusst. Sein einziges Ziel: den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Oder die Vorstände der Hypo Real Estate, der deutschen Bank, die bis 2008 massiv in amerikanische Ramschhypotheken investiert hatte. Ihre eigene Schuld und die des ganzen Systems an der Pleite eingestehen? Von wegen. Stattdessen forderten sie noch Kompensation, weil man ihnen den bequemen Chefsessel unterm Hintern weggezogen hatte, als es schon längst zu spät war. Sie hätten sich vor aller Augen hinstellen und sich freimütig zu ihrer Schuld an der Krise bekennen können. So hätten sie zumindest noch einen Rest an GröÃe bewiesen. Aber nichts da.
Selbstbewusstes Scheitern setzt voraus, dass man bereit ist, das Risiko eigener, mutiger Entscheidungen einzugehen. Und zwar so bewusst einzugehen, dass man dieses Risiko als zentralen Teil seiner beruflichen Laufbahn betrachtet und für sich annimmt. Und dann, wenn es passiert, offen und ehrlich sich und allen anderen seine Niederlage und die Verantwortung dafür eingesteht.
Seit ich vor mehr als 20 Jahren meine Karriere in Deutschland begann, war das Risiko zu scheitern immer Teil meines privaten und vor allem beruflichen Lebens. Ich ging nach Deutschland mit nichts anderem als einem High School-ÂAbschluss in der Tasche, begann als Verkehrsladeplaner im Blaumann auf dem Frankfurter Flughafen und arbeitete mich ohne Universitätsabschluss, aber mit dem Glauben an mich und meine Möglichkeiten, in Führungspositionen hoch.
Dabei erlitt ich immer wieder Schiffbruch. Drei Mal warf man mich in hohem Bogen raus. Und zwar jeweils aus hohen Managerpositionen. Der Fall war jedes Mal tief und schmerzlich. Und nie war ich dabei unschuldig. Drei Mal erlebte ich absolute Niederlagen. Drei Mal hatte ich das Gefühl, mit einem Schlag alles verloren zu haben.
Doch eines baute mich immer wieder auf und bestärkte mich in meiner Art zu führen: Gegen die drei unliebsamen Aktionen, die meinen Rauswürfen vorausgingen, standen 300 unbequeme Entscheidungen, die durchgingen. 300 Auflehnungen gegen das Memmentum, die nicht geahndet Âwurden. Und so sieht die Realität aus meiner Erfahrung aus: Die groÃe Angst vor den Konsequenzen, die Führungskräfte fürchÂten, wenn sie aus der Reihe tanzen, ist unbegründet. Nur in 1 Prozent der Fälle passiert tatsächlich etwas. In 99 Prozent der Fälle dagegen macht es sie einfach nur zu besseren Chefs.
Und mit dieser Ãberzeugung ging es für mich jedes Mal weiter. Ich stand wieder auf, lernte aus den Niederlagen und wurde erfolgreicher als je zuvor. Für mich ist das eine Erfolgsgeschichte, die ich bereitwillig erzähle und dabei die Schattenseiten nicht ausspare. Denn diese Lebensabschnitte sind es, die mich definieren und meine Identität als Führungskraft ausmachen. Allerdings scheint das Scheitern in Deutschland, so habe ich in vielen Gesprächen den Eindruck gewonnen, nicht zur Vita einer erfolgreichen Führungskraft gehören zu dürfen.
Je höher man aufsteigt auf der Karriereleiter, desto weniger ist das Scheitern akzeptabler Bestandteil der eigenen Biografie. Desto weniger wird darüber gesprochen. Das eigene Versagen, eine schmähliche Entlassung in der Vergangenheit â das ist nie passiert. Es könnte womöglich den Respekt und den Status kosten. Niederlagen gelten nicht als fruchtbare Erfahrungen, die eine Führungskraft lernen und reifen lassen, sondern als schwerwiegender Makel, den es zu vertuschen gilt. Diese Einstellung deutscher Führungskräfte unterscheidet sich massiv von dem, was ich aus meiner alten Heimat kenne, den USA .
Die Kultur des erfolgreichen Scheiterns gibt es dort schon immer â so wie es im Beispiel der indisch-stämmigen Händler ersichtlich wird. Wer am Boden liegt,
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