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Mein erfundenes Land

Mein erfundenes Land

Titel: Mein erfundenes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Abwehrens verdrehe ihnen den Kopf, aber das wurde wohl kaum in Chile erfunden, das haben wir aus Andalusien importiert.
    Ich habe mehrere Jahre für eine Frauenzeitschrift gearbeitet, durch deren Redaktion die gefragtesten Fotomodelle und die Kandidatinnen für die chilenischen Miss-Wahlen gingen. Die Mannequins waren im allgemeinen derart anorektisch, daß sie die meiste Zeit reglos wie Schildkröten vor sich hinblickten, was überaus verführerisch wirkte, weilsich jeder Mann in ihrem Gesichtskreis einbilden konnte, sie hätten bei seinem Anblick völlig den Verstand verloren. Diese Schönheiten sahen aus wie Touristinnen, durch ihre Adern floß ausschließlich europäisches Blut: Sie waren groß, schlank, hatten helle Haut und helles Haar. Die typische Chilenin, der man auf der Straße begegnet, sieht anders aus, ist Mestizin, dunkelhäutig und eher klein, auch wenn die jüngeren Generationen etwas größer gewachsen sind. Die Jugendlichen von heute kommen mir riesig vor (was Wunder bei meinen einsfünfzig…). Fast alle weiblichen Figuren meiner Romane sind von den Chileninnen inspiriert, die ich gut kenne, weil ich mehrere Jahre mit ihnen und für sie gearbeitet habe. Mehr als die jungen Damen aus der Oberschicht beeindrucken mich die Frauen aus dem Volk, die lebenserfahren, stark, tüchtig und bodenständig sind. In ihrer Jugend sind sie leidenschaftliche Liebhaberinnen, später dann die Säulen der Familie, gute Mütter und gute Gefährtinnen für ihre Männer, für die sie häufig viel zu schade sind. Unter ihren Fittichen finden eigene und fremde Kinder, Freunde, Verwandte und Hausgäste Platz. Immer sind sie müde und für alle da, stellen sich selbst zurück, sind die Letzten unter den Letzten, rackern unablässig und altern früh, verlieren jedoch nie die Gabe, über sich selbst zu lachen, die romantische Hoffnung, ihr Mann möge zu ändern sein, und ein Flämmchen der Rebellion im Herzen. Die meisten fühlen sich zur Märtyrerin berufen: Im Dienst der Familie stehen sie morgens als erste auf und gehen abends als letzte zu Bett; sie sind stolz darauf, zu leiden und sich aufzuopfern. Und wie sie in Tränen und Schluchzern schwelgen, wenn sie einander berichten, wie Mann und Kinder sie ausnutzen!
    Die Chileninnen kleiden sich schlicht, haben fast immer Hosen an, tragen ihr Haar offen und schminken sich sehr wenig. Am Strand oder auf Festen sind alle gleich aufgemacht und wirken wie in Serie produziert. Ich habe alte Zeitschriften vom Ende der sechziger Jahre bis heutedurchgeblättert, und offenbar hat sich auf diesem Gebiet in den letzten vierzig Jahren wenig getan; bloß die Frisuren sind mal mehr, mal weniger voluminös. Keine Chilenin würde das »kleine Schwarze« missen wollen, ein Synonym für Eleganz, das sie fast unverändert von der Pubertät bis in den Sarg begleitet. Ich lebe unter anderem deshalb nicht in Chile, weil ich nichts zum Anziehen hätte. Mein Kleiderschrank birgt genug Schleier, Federn und Flitter, um ein komplettes Ensemble für eine Aufführung von Schwanensee auszustatten; außerdem habe ich meine Haare schon in sämtlichen chemisch möglichen Farben gefärbt und verlasse das Bad nie ohne Lidstrich und Wimperntusche. Unter den Chileninnen gehört es zum guten Ton, auf Diät zu sein, obwohl die Männer in Umfragen immer wieder beteuern, sie wünschten sich die Frauen »weich, kurvig, daß man was zum Zupacken hat«. Geglaubt wird ihnen nicht: Sie sagen das nur, um uns zu trösten… Deshalb vertuschen die Chileninnen ihre Vorsprünge mit langen Westen oder gestärkten Blusenhemden, ganz anders als die Frauen in der Karibik, die ihren Überfluß am Bug stolz mit tiefen Dekolletés betonen und den am Heck in neongrelle Stretchhosen zwängen. Je mehr Geld eine Frau hat, desto weniger ißt sie: Die Oberschicht ist an ihrer Magerkeit kenntlich. Aber Schönheit ist sowieso eine Frage des Auftretens. Ich erinnere mich an eine Frau, die eine Nase hatte wie Cyrano de Bergerac. In Santiago war sie wenig erfolgreich, also ging sie nach Paris, und es dauerte nicht lang, da erschienen in der elegantesten Modezeitschrift der Stadt acht farbige Seiten von ihr mit einem Turban auf dem Kopf und… im Profil! Damit ist jene Dame, die an einer Nase hing, unsterblich geworden als ein Sinnbild für die vielgepriesene Schönheit der chilenischen Frau.
    Manche behaupten leichtfertig, Chile sei ein Matriarchat, vielleicht, weil sie sich von der starken Persönlichkeit derFrauen täuschen lassen, denn man

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