Mein erfundenes Land
könnte meinen, sie spielten in der Gesellschaft die erste Geige. Sie wirken frei und gutorganisiert, behalten ihren Mädchennamen nach der Heirat, wetteifern im Beruflichen mit den Männern und haben die Familie nicht nur im Griff, sondern ernähren sie häufig auch. Sie sind interessanter als die meisten Männer, aber das ändert nichts daran, daß sie in einem ungeschönten Patriarchat leben. Arbeit oder Intellekt einer Frau werden aus Prinzip nicht gewürdigt; wir müssen zweifach rackern, wollen wir auch nur die Hälfte der Anerkennung ernten, die den Männern zuteil wird. Und in der Schriftstellerei erst! Aber dieses Thema lassen wir besser, es bringt mich auf die Palme. Die Männer haben die wirtschaftliche und politische Macht und reichen sie einander wie bei einem Staffellauf weiter, während die Frauen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zuschauen dürfen. Chile ist ein Land der Machos: Die Luft ist übersättigt von Testosteron, man muß sich wundern, daß den Frauen kein Bart sprießt.
Während in Mexiko der Machismo sogar in den Volksliedern herausposaunt wird, tarnen wir ihn besser, was ihn aber nicht harmloser macht. Soziologen haben seine Ursprünge bis in die Zeiten der Konquista zurückverfolgt, aber da es sich um ein weltweites Phänomen handelt, müssen die Wurzeln erheblich älter sein. Man kann nicht für alles den Spaniern die Schuld geben. Dennoch will ich kurz schildern, was ich darüber gelesen habe. Die Araukaner waren ursprünglich polygam und sprangen mit ihren Frauen nicht zimperlich um. Für gewöhnlich ließen sie sie mit den Kindern sitzen und zogen in Gruppen weiter zu neuen Jagdgründen, wo sie wieder Frauen fanden und Kinder zeugten, die sie dann erneut sich selbst überließen. Die Mütter kümmerten sich nach Kräften um den Nachwuchs, und dieses Verhalten hat in gewisser Weise Spuren in der Psyche unseres Volkes hinterlassen. So verzeiht eine Chilenin es zwar nicht, wenn ihr Mann sie verläßt, aber sietendiert dazu, es als ein Übel hinzunehmen, das der Natur des Mannes eigen ist. Die meisten spanischen Eroberer wiederum brachten nicht ihre Frauen mit, sondern nahmen sich Indianerinnen, die sie freilich geringer achteten als Pferde. Aus diesen ungleichen Verbindungen erwuchsen gedemütigte Töchter, die ihrerseits später mißbraucht wurden, und Söhne, die ihren Vater fürchteten und bewunderten, diesen soldatischen, jähzornigen, launischen Inhaber aller Rechte, der selbst über Leben und Tod gebieten durfte. Sie wuchsen heran und identifizierten sich mit ihm, niemals mit dem geknechteten Volk ihrer Mutter. Einige Konquistadoren hatten bis zu dreißig Konkubinen, nicht mitgezählt die Frauen, die sie schändeten und sofort vergaßen. Die Inquisition wütete gegen die Vielweiberei der Mapuche, ließ die Spanier mit ihren Serails gefangener Indianerinnen aber gewähren, denn der mestizische Nachwuchs bedeutete Untertanen für die spanische Krone und Seelen für den christlichen Glauben. Aus dieser gewalttätigen Umarmung ging unser Volk hervor, und die Männer benehmen sich noch heute, als blickten sie vom Rücken eines Pferdes auf die Welt herab: befehlend, erobernd. Nicht schlecht, die Theorie, oder?
Die chilenischen Frauen sind Komplizinnen des Machismo: Sie erziehen ihre Töchter zu Dienerinnen und ihre Söhne zu Paschas. Zwar kämpfen sie einerseits für ihre Rechte und stehen mit beiden Beinen im Arbeitsleben, aber zu Hause verhätscheln sie Mann und Söhne gemeinsam mit den Töchtern, denen sie von klein auf ihre Pflichten einimpfen. Die Mädchen von heute rebellieren dagegen, keine Frage, aber sobald sie sich verlieben, reproduzieren sie das erlernte Schema, weil sie lieben mit dienen verwechseln. Es bedrückt mich, wenn ich diese wundervollen jungen Frauen sehe, die ihre Freunde wie Kleinkinder behandeln. Sie häufen ihnen nicht nur das Essen auf den Teller, sie bieten auch an, ihnen das Fleisch zu schneiden. Ich bedaure sie, denn ich war selbst so. Bis vor kurzem gab es einen sehrerfolgreichen Komiker im Fernsehen: ein Mann in Frauenkleidern, der die perfekte Ehefrau gab. Die arme Elvira – so hieß die Figur – bügelte Hemden, kochte höllisch aufwendige Menüs, erledigte die Schulaufgaben der Kinder, wachste den Fußboden von Hand und huschte, ehe ihr Mann nach Hause kam, rasch ins Bad, um sich hübsch zu machen, nicht daß er sie unansehnlich fände. Sie gönnte sich keine Ruhe und war an allem schuld. Um ihrem Gatten die vergessene Aktentasche zu bringen,
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