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Mein erfundenes Land

Mein erfundenes Land

Titel: Mein erfundenes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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schmutziger Töpfe und Teller geschlagen. Die typische chilenische Küche ist schlicht, denn Erde und Meer sind großzügig; nirgends gibt es schmackhafteres Obst oder Meeresgetier als bei uns, das dürfen Sie mir glauben. Je schwieriger es ist, Zutaten zu bekommen, desto ausgefeilter und pikanter ist das Essen, wie man in Mexiko oder Indien feststellen kann, wo es dreihundert Arten gibt, Reis zu kochen. Uns erscheint die eine, die wir kennen, völlig ausreichend. Die Kreativität, die wir nicht brauchen, um ausgefallene Gerichte zu erfinden, verwenden wir auf die Namensgebung, bei der dem Ausländer Übles schwanen kann: Irre im Teigmantel, Kopfkäse, Blutbrät, Brathirn, Damenfinger, Königinnenarm, Nonnenseufzer, Wickelkinder, kaputte Hosen, Affenschwanz etc.Wir haben Humor und lachen gern, aber im Grunde ist uns der Ernst lieber. Über Jorge Alessandri, der von 1958 bis 1964 Präsident war, ein neurotischer Junggeselle, der nur Mineralwasser trank, es nicht gestattete, daß in seiner Gegenwart geraucht wurde, und der sommers wie winters Mantel und Schal trug, sagten die Leute bewundernd: »Wie traurig Don Jorge wieder ist!« Das war beruhigend, denn wir fühlten uns gut aufgehoben: in den Händen eines ernsten Mannes oder, besser noch, eines depressiven Alten, der seine Zeit nicht mit Frohsinn vertändelte. Was nichts daran ändert, daß Pech uns erheitert; es reizt uns zum Lachen, wenn etwas schiefgeht, und da wir immer meinen, alles ginge schief, lachen wir oft. Das kompensiert ein wenig unseren Hang, über alles und jeden zu klagen. Die Popularität einer Person bemißt sich daran, wie viele Witze über sie kursieren; angeblich hat Salvador Allende Witze über sich selbst erfunden und in Umlauf gebracht – darunter einige nicht ganz jugendfreie. Ich hatte über mehrere Jahre eine Sendung im Fernsehen und eine Kolumne in einer Zeitschrift, über die man lachen sollte und die geduldet wurden, da es kaum Konkurrenz gab in einem Land, in dem selbst die Clowns melancholisch sind. Als ich Jahre später in Venezuela mit einer ähnlichen Kolumne begann, wurde die gar nicht gut aufgenommen, und ich machte mir einen Haufen Feinde, denn der venezolanische Humor ist zurückhaltender und weniger schonungslos.
    In meiner Familie sind grobe Scherze gang und gäbe, aber unser Humor entbehrt der Finesse; wir verstehen bloß die Witze über Don Otto, einen deutschen Einwanderer. Den hier zum Beispiel: Einem überaus eleganten Fräulein entschlüpft ein Darmwind, und um das zu vertuschen, stampft sie mit den Füßen, worauf Don Otto (auf spanisch mit deutschem Akzent) zu ihr sagt: »Und wenn du auch steppst, daß die Fetzen fliegen, den Ton von deinem Podex wirst du nie hinkriegen.« Während ich das hinschreibe, lache ich Tränen.Ich habe versucht, es meinem Mann zu übersetzen, der Reim will mir aber nicht gelingen, und rassistische Witze sind in Kalifornien aus Prinzip nicht lustig. Ich bin mit Witzen über Galicier, Juden und Türken aufgewachsen. Unser Humor ist schwarzer Humor, wir machen uns über jeden lustig, sei es, wer es sei: Taubstumme, geistig Behinderte, Epileptiker, Farbige, Homosexuelle, Priester, »Pöbel«, egal. Wir kennen Witze über sämtliche Religionen und Rassen. Als ich zum erstenmal den Ausdruck politically correct hörte, war ich fünfundvierzig, und es ist mir nicht möglich gewesen, meinen Freunden und Verwandten in Chile zu erklären, was das bedeuten soll. Einmal wollte ich in Kalifornien einen dieser Hunde erwerben, die als Blindenhunde ausgebildet, dann aber nicht genommen werden, weil sie die schwierigen Prüfungen nicht bestehen. In meinem Bittbrief hatte ich die schlechte Idee, zu schreiben, daß ich mich für einen der »abgelehnten« Hunde interessierte, und bekam postwendend zur Antwort, den Begriff »abgelehnt« benutze man nicht, es heiße, das Tier habe »die Laufbahn gewechselt«. Wie soll man das jemand in Chile erklären!
    Meine gemischte Ehe mit einem amerikanischen Gringo ist bislang kein völliger Reinfall. Wir vertragen uns, obwohl wir die meiste Zeit keinen Schimmer haben, worüber der andere redet, weil wir immer bereit sind, den Zweifel zu seinen Gunsten walten zu lassen. Hinderlich ist vor allem, daß wir nicht denselben Humor haben; Willie kann nicht glauben, daß ich auf spanisch durchaus amüsant sein kann, und ich weiß nie, worüber zum Teufel er lacht. Gleichermaßen erheitert es uns nur, wenn George W. Bush ohne Manuskript zu reden versucht.

Wo das Heimweh

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