Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein erfundenes Land

Mein erfundenes Land

Titel: Mein erfundenes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
Weißglut, aber wenn er zufrieden mit mir war, belohnte er mich mit einem Stück Camembert, der in seinem Kleiderschrank reifte; wenn er die Tür öffnete, wehte der Geruch nach gammligen Soldatenstiefeln bald durchs ganze Viertel.
    Großvater und ich kamen gut miteinander aus, weil wir beide gerne schwiegen. Wir konnten Stunden Seite an Seite verbringen, lesen oder den Regen vor dem Fenster betrachten, und mußten nicht um des Redens willen reden. Ich glaube, wir empfanden Sympathie und Respekt füreinander. Dieses Wort – Respekt – schreibe ich mit einem gewissenZögern, denn mein Großvater war autoritär und ein Macho, gewohnt, Frauen wie zarte Blumen zu behandeln, und er wäre nie auf die Idee gekommen, sie aufgrund ihres Verstandes zu respektieren. Ich war ein düsteres und rebellisches Gör, das sich mit ihm von gleich zu gleich stritt. Das weckte seine Neugier. Wenn ich dieselben Rechte auf Freiheit und Ausbildung forderte wie meine Brüder, lächelte er amüsiert, aber wenigstens hörte er mir zu. Vielleicht sollte ich erwähnen, daß er das Wort »Macho« zum erstenmal aus meinem Mund hörte. Er wußte nicht, was es bedeuten sollte, und als ich es ihm erklärte, starb er fast vor Lachen; daß es für die männliche Autorität, die so naturgegeben war wie die Luft zum Atmen, eine eigene Bezeichnung geben sollte, schien ihm ein einfältiger Scherz. Als ich diese Autorität in Frage zu stellen begann, fand er das nicht mehr lustig, aber daß ich so stark und unabhängig sein wollte wie er und nicht ein Opfer der Umstände wie meine Mutter, verstand er wohl, und vielleicht bewunderte er es sogar.
    Fast hätte ich es geschafft, wie mein Großvater zu sein, doch dann verriet mich die Natur: Mir wuchsen Brüste – kaum größer als zwei Pflaumen auf den Rippen –, und mein Vorhaben war beim Teufel. Der Ausbruch der Hormone war ein Desaster für mich. Binnen weniger Wochen wurde aus mir eine Kleine voller Komplexe, loderten in meinem Kopf die romantischsten Träume, hatte ich nur noch Gedanken dafür, wie sich das andere Geschlecht anlocken ließe, keine leichte Aufgabe, denn ich entbehrte jeden Liebreizes und war überdies fast immer zornig. Ich konnte meine Verachtung für die meisten Jungen, mit denen ich zu tun hatte, nicht verhehlen, denn es schien mir auf der Hand zu liegen, daß ich klüger war als sie. (Ich brauchte Jahre, bis ich gelernt hatte, mich dumm zu stellen, damit die Männer sich überlegen fühlen. Was für eine Plackerei!) In diesen Jahren war ich hin- und hergerissen zwischen den feministischen Ideen, die in meinem Kopf rumorten, ohne daß ich sie in verständlicherWeise hätte ausdrücken können, weil in meiner Umgebung über so etwas niemals gesprochen wurde, und dem Wunsch, wie die anderen Mädchen in meinem Alter zu sein, akzeptiert, begehrt, erobert, beschützt zu werden.
    Mein armer Großvater war auserkoren, sich mit der unglücklichsten Halbwüchsigen in der Geschichte der Menschheit herumzuschlagen. Nichts, was der arme alte Mann mir sagte, konnte mich trösten. Nicht, daß er viel gesagt hätte. Manchmal brummelte er, für eine Frau sei ich doch ganz passabel, was nichts daran änderte, daß ich ihm als Mann lieber gewesen wäre, weil er dann mit mir in seiner Werkstatt hätte hantieren können. Immerhin schaffte er sich durch eine einfache Maßnahme mein graues Kleid vom Hals, indem er es im Hof verbrannte. Ich machte zwar ein Gezeter, aber im Grunde war ich ihm dankbar, obwohl ich überzeugt war, daß mich mit oder ohne das graue Vogelscheuchengewand nie ein Mann ansehen würde. Und doch geschah wenige Tage später ein Wunder: Mein erster Junge erklärte sich mir, Miguel Frías. Ich war so verzweifelt, daß ich mich an ihn klammerte wie ein Krebs und ihn nicht mehr losließ. Fünf Jahre später heirateten wir, bekamen zwei Kinder und blieben fünfundzwanzig Jahre zusammen. Aber ich sollte nicht vorgreifen…
    Zu jener Zeit hatte mein Großvater die Trauer abgelegt und wieder geheiratet, diesmal eine Matrone von imperialem Äußeren, in deren Adern etwas vom Blut jener deutschen Einwanderer floß, die im 19. Jahrhundert aus dem Schwarzwald gekommen waren, um den Süden zu besiedeln. Verglichen mit ihr sahen wir aus wie Wilde und benahmen uns auch so. Sie war eine imposante Walküre, groß, weiß, blond, ausgestattet mit einem stolzen Bug und einem bemerkenswerten Heck. Sie mußte es hinnehmen, daß ihr Mann im Schlaf den Namen seiner ersten Frau murmelte, und sich mit der

Weitere Kostenlose Bücher