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Mein Erzengel (German Edition)

Mein Erzengel (German Edition)

Titel: Mein Erzengel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Fischer
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kosten, diese feine Zeichnung immer wieder in Form zu bringen. Seine Botero-Frau hält nichts davon. Selbstbewusst präsentiert sie die Büschel unter ihren hinter dem Kopf verschränkten Armen, und dazwischen die winzigen Brüste, klein und fest wie Tennisbälle. Ob es im wirklichen Leben Frauen mit so breiten Hüften und so kleinen Brüsten gibt? Ein Missverhältnis, das genauso betörend auf ihn wirkte wie ihr Silberblick. Ein Auge schaut nach rechts, das andere nach links. Der Zauber der Imperfektion.
    ROSA
    Carlo dachte an Rosa, und die Hündin regte sich, als könne sie seine Gedanken lesen. Er hatte seine Zigarette ausgeraucht, seine letzte. Bis morgen früh würde er nichts mehr haben, an dem er sich festhalten könnte. Ja, doch, Wein war noch genügend im Haus, aber gerade den wollte er meiden, wenn er an Rosa dachte.
    Die Autos rumpelten über das Kopfsteinpflaster, und die Vögel mühten sich, das Motorengeräusch zu überschreien. Rosas Haus lag an der Straße, an einer Nebenstraße, die aber seit dem Eintrag im Reiseführer über die Region zu einer vielbefahrenen Route geworden war. Die Leute in den Autos verlangsamten ihr Tempo und nahmen den Sicherheitsgurt ab, um sich möglichst weit aus dem Fenster zu beugen. Manchmal blieben sie direkt vor Rosas Haus stehen. Und weil der Bürgermeister sie gebeten hatte, das Dorf nicht weiter in Misskredit zu bringen, biss sie die Zähne zusammen, zog die Vorhänge zu und verkroch sich ins Innere der Hütte. Mehr als eine Hütte war es nicht, ein spärlich eingerichtetes Wohnzimmer, eine winzige Schlafkammer und eine Küche nach hinten, mit dem Blick auf den Komposthaufen. Carlo hörte Augustos Gekreische, so hatte er den Hahn genannt, dessen blauschwarz schimmernder Schweif beim Stolzieren auf und ab wippte. Er hüstelte. Die Hündin hob fragend den Kopf und spitzte die Ohren.
    Immer wenn er an Rosa dachte, musste er hüsteln. Die Unruhe legte sich wie ein rauer Film auf seine Kehle. Anfangs hatte er den Pollenflug dafür verantwortlich gemacht, schließlich litt er seit der Kindheit an Heuschnupfen. Doch beim Gedanken an Rosa hüstelte er auch im Herbst und im Winter. Er räusperte sich und stand auf. Dass das Tier sofort aufsprang, bereit, alles mitzumachen, was Carlo in den Sinn kommen würde, erfüllte ihn mit Dankbarkeit. Er lenkte seine Schritte Richtung Dorf, obwohl das nicht seine Absicht gewesen war. Im Dorf würde er ins Gasthaus gehen, nichts anderes gab es dort zu tun. Er würde die Blicke der Männer auf sich spüren, ihre schweren Pranken auf der Tischplatte sehen, ihre Stimmen hören und ihre ungehobelte Sprache. Natürlich würden sie Rosa nicht erwähnen, aber in ihren Schädeln irrlichterte sie. Er würde das ebenso merken, wie die Hündin seine Gedanken zu lesen schien.
    Rosa fehlte ihnen, beiden. Sie war es gewesen, die das Hündchen eines Tages vor seine Tür gelegt hatte. Dass Carlo Rosa geliebt hatte, konnte er nicht sagen, ihre Stimme war zu hart, ihr Haar zu fettig gewesen. Sie war eine Außenseiterin und er der Einzige, dem sie vertraute. Das war ihm oft lästig gewesen. Inzwischen hatte er den Wald hinter sich gelassen und hörte den Kies unter seinen Füßen knirschen. Bald würde er in der Wirtsstube sitzen.
    Und auch das Hüsteln hatte nachgelassen.
    DER ANGESTELLTE UND DIE FRAUEN
    Liebst du mich?, fragte sie ihn. Warum nur war sein Leben von Frauen umstellt? Eben hatte er eine verlassen, da war schon eine andere zur Stelle mit ihrer anstrengenden Suche nach dem Glück. Was Frauen umtrieb, blieb ihm unbegreiflich, eine Bedrohung, die ihm die Luft abschnürte, wie nagendes Getier in seinen Eingeweiden nistete. Und doch fühlte er sich zu den Frauen hingezogen. Bei ihnen konnte er er selbst sein. Nur aufpassen musste man, höllisch aufpassen, dass sie einen nicht aussaugten. Im Lauf der Jahre hatte er erstaunlich gut gelernt, die Frauen abzuwehren. Ein verlegenes Lächeln, eine matte Handbewegung, ein rätselhafter Satz, ein hilfloses Zucken mit den Achseln, der abgewandte Blick – das brachte sie zur Räson. Sie verstummten und verließen ihn trotzdem nicht, das war das Schöne an den Frauen.
    DER MÖRDER
    Er zog die Decke über seinen Kopf und summte sich in den Schlaf, versuchte es, denn als er zu summen ansetzte, fing er augenblicklich an zu denken. Die Worte unter der Schädeldecke formierten sich zu ganzen Sätzen, die sich in Wellen vorwärtswälzten und immer neue Sätze hervorbrachten. Eine Frau von makelloser Eleganz stieg

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