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Mein Erzengel (German Edition)

Mein Erzengel (German Edition)

Titel: Mein Erzengel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Fischer
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Werkzeuge mit Öl: Schraubstock und Schoßfell, Bohr- und Poliermaschine, Hängebohrer, Polierpaste, Poliergelb und Polierscheiben, Rundbürsten, Bohrer, Borax, Bimsmehl und Oxydbeize, Blechschere, Plastikhammer, Holzhammer, Gummihammer, Ziselierhammer, Bretthammer und Treibfäustel, Sägebogen und Sägeblätter, Schienenzange, Flachzange und Seitenschneider, Ziehzange und Zieheisen, Kugelpunzen, Zisellierpunzen und Zisellierkitt, Zirkel und Schieblehre, Vierkantfeilen, Flachfeilen, Dreikantfeilen, Rundfeilen, Halbrundfeilen und Barettfeilen, Stichel und Reißnadel, Stielkloben, Reibahle und Dreikantschaber, Hornamboss, Stabmaß, Ringmaß, Ringeisen, Bretteisen, Rundlaufzirkel, Polierstahl und Pinzetten, Messingbürste, Lupe, Körner, Feilnagel, Armreifriegel und schließlich auch noch die Flaschen mit der Salpeter- und der Schwefelsäure.
    Schwieriger wird es beim großformatigen Pressefoto von sich. Soll sie es zerreißen? Am Ringfinger ihrer Hand glänzt der Ehering, ein schönes, von einem Kollegen angefertigtes Stück, wellenförmig geschwungen. Als sie sich zur Heirat entschlossen, war der Gang zum Standesamt für beide nichts als ein bürokratischer Akt, an Eheringe hatten sie nicht gedacht. Erst am Morgen des Hochzeitstags gestanden sie einander im Bett, dass sie eigentlich gern welche hätten, aber nicht gewagt hatten, diesen Wunsch zu äußern. Für die Hochzeit nahmen sie Vorhangringe, erst mehrere Wochen später waren die richtigen fertig. Ruth trug ihren Ehering mit Stolz und Freude, an der rechten Hand, weil er ihr links vom Finger rutschte. Jedes Mal, wenn sie ihn anschaute, fühlte sie sich durchglüht von einer Welle der Sicherheit. Sie war geschützt. Geschützt vor allem, was einer Frau, einer Feministin, einer Jüdin im Leben widerfahren kann. Erst mit dem Anlegen des Ringes erkannte sie, wie ängstlich, unsicher und ausgeliefert sie sich vorher gefühlt hatte. Der Ehering verlieh ihr neue Sicherheit, als der Feminismus begann, sich als ihr Lebensmittelpunkt abzunutzen.

    Die Dinge ihres gemeinsamen Lebens sind von Michaël durchdrungen, Bücher, Schallplatten, Möbel. Ruth packt ein, was sie in ihrem neuen Leben brauchen kann, lässt zurück, was ihr entbehrlich erscheint, soll er sich um die Entsorgung kümmern. Sie geht rücksichtslos vor, fragt nicht danach, was wem gehört. Auch das gemeinsame Sparbuch steckt sie ein.
    Auf der Suche nach einer Wohnung in Amsterdam haben sie einmal ein luxuriös eingerichtetes Apartment besichtigt. Der todtraurige Vormieter wollte ihnen alles überlassen, samt den Bildern an den Wänden. Das Schlafzimmer war mit schweren schwarzen Seidenvorhängen abgedunkelt, der Raum vibrierte noch vor Vorfreude auf die Nächte, die kommen sollten. Der Mann hatte die Wohnung eben erst eingerichtet, um dort mit seiner Freundin zu leben. Als alles fertig war, verschwand sie von der Bildfläche. Ruth und Michaël konnten das Apartment wegen der hohen Miete nicht nehmen, sie wollten auch nicht mit fremden Sachen wohnen. Trotz ihres Mitleids angesichts der Niederlage des Mannes konnte Ruth ein Gefühl der Befriedigung nicht unterdrücken. Es war wie das Triumphgeheul der Lebenden angesichts des Todes. Wir hingegen leben! Der Mann ist mit seiner Freundin gescheitert, wir stehen am Anfang einer strahlenden Zukunft.
    Zwischen Michaëls Büchern stecken zwei unbeschriftete, rot-schwarz gemusterte Kladden, die Ruth noch nie bemerkt hat, auch weil sie früher nicht in seinen Sachen herumschnüffelte. Sie öffnet eine und erkennt sofort seine ordentliche runde Füllfederschrift. Ihr Herz beschleunigt sich, vielleicht wird sie hier eine Antwort finden. Die Texte sind nicht datiert. Zitternd vor Aufregung setzt sie sich zwischen die halbgepackten Umzugskartons auf den Boden und liest.
    GRANATÄPFEL
    Sie hatte auf dem Markt Granatäpfel gekauft. Ein seltenes exotisches Angebot inmitten der einheimischen Zwetschken, Pfirsiche und Birnen. Sie arrangierte sie auf dem Teller mit dem hellblauen Rand. Zwei davon waren aufgeplatzt. Rosarote Kerne lugten saftig glänzend aus der Spalte. Die Ränder der klaffenden Wunde waren scharf und zackig. Auf dem Kopf trugen die fremdländischen Äpfel Krönchen mit einem Büschel Gestrüpp zwischen den Zacken. Ihre Wangen waren wie vor Scham gerötet. Lange saß sie vor dem Teller und betrachtete die harten Früchte. Man musste sie gewaltsam aufbrechen, um an das saftige Innere zu gelangen. Nur die mit der Wunde ließen sich leicht öffnen.
     
    Was hatte

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