Mein feuriges Herz
und aufrechte Frau. Das wird er bald einsehen.“
Aber Corrie konnte ihr nicht glauben. Was Gray auch für sie empfunden haben mochte, war ausgelöscht, verschwunden an dem Morgen, an dem auch Letty Moss verschwunden war.
In einem Kleid aus taubengrauem Organdy mit einem dreifach gestuften Volantrock, verziert mit malvenfarbenen Applikationen, stand Corrie auf der Schwelle der Flügeltüren, die zum Garten führten. Das kupferrote Haar war in der Mitte gescheitelt und über den Ohren zu Löckchen gedreht, die über ihren hellen Schultern wippten.
„Er ist immer noch nicht da.“ Ihre Mutter, eine zierliche, immer noch schöne Frau von Ende vierzig, rang besorgt die Hände. „Grundgütiger, was tun wir nur, wenn er nicht kommt?“
Corries Herz zog sich zusammen. Vielleicht wollte er sie tatsächlich allein vor dem Altar stehen lassen, als Strafe für ihren Betrug. Um ihrer Eltern willen flehte sie zum Himmel, er würde ihr und vor allem ihrer Familie diese Demütigung nicht antun.
„Er ist erst ein paar Minuten zu spät“, sagte sie tröstend und hoffte inständig, ihre Mutter würde nicht in Tränen zerfließen. „Vielleicht gab es Probleme mit der Kutsche.“ Allerdings konnte sie sich gut vorstellen, dass Gray sich absichtlich verspätete. Wenn er überhaupt erschien, sollte die Hochzeitsgesellschaft getrost wissen, dass er kein erwartungsfroher Bräutigam war.
„Er ist vorgefahren!“ Krista wandte sich vom Fenster ab und eilte auf Braut und Brautmutter zu. „Er betritt soeben den Garten.“
„Dem Himmel sei Dank!“, hauchte ihre Mutter, am Ende ihrer Nerven.
Tröstend nahm Corrie sie in die Arme, wusste allerdings nicht, wer mehr Trost brauchte. „Es wird alles gut, Mutter.“
Die Viscountess lächelte schwach. „Ja, ja, es wird alles gut. Schließlich heiratest du einen Earl. Und irgendwann werden die Leute vergessen, wie überstürzt die Hochzeit stattfand.“
Wieder fühlte Corrie sich schuldig. Hätte sie nur von Anfang an auf Krista gehört und wäre in London geblieben, dann wäre das alles nicht geschehen.
„Es ist Zeit zu gehen, Coralee.“ Die sanfte Stimme der Freundin holte sie aus ihren Grübeleien. Ein Schauer überflog sie.
Sie atmete tief durch, um sich zu fassen, und setzte sich in Bewegung. Vor der Kapelle ging Krista in die Knie und ordnete die Schleppe des Organdykleides, dann öffnete sie die Tür. Die Kapelle war mit riesigen Gebinden weißer Chrysanthemen und malvenfarbenen Schleifen geschmückt, ein weißer Teppich im Mittelgang endete vor dem Altar.
Neben dem Portal warteten Leif und Thor, zwei Hünen, der eine dunkel, der andere blond; beider Augen strahlten tiefblau.
Leif neigte sich der Braut zu und hauchte ihr einen Kuss auf beide Wangen. „Du siehst wunderschön aus. Dein Earl kann sich glücklich schätzen.“
Corrie brachte ein bebendes Lächeln zustande. „Danke, Leif.“
„Wenn er dich nicht anständig behandelt“, raunte Thor ihr zu, „kann er was erleben.“
Tränen brannten ihr in den Augen. Welch ein Glück, solche Freunde zu haben. „Vielen Dank. Ich nehme dich beim Wort, Thor.“
Thor Draugr war vor Jahren von der einsamen, unwirtlichen Insel im Norden nach London gekommen, wie sein Bruder vor ihm. Zunächst war er ebenso hinterwäldlerisch und ungebildet gewesen wie Leif zu Anfang. Aber Professor Hart hatte ein ähnliches Wunder vollbracht wie bei Leif. Die beiden normannischen Hünen hatten verblüffende Fortschritte gemacht und bewegten sich mittlerweile mit durchaus geschliffenen Manieren in der vornehmen Gesellschaft.
„Nun wird es aber Zeit.“ Krista umarmte die Braut ein letztes Mal und trat an die Seite ihres Mannes. Die beiden sahen sich so verliebt an, dass Corries Herz sich vor Sehnsucht zusammenzog. Ach, könnte Gray sie nur einmal so liebevoll anschauen … Aber das würde wohl nie geschehen.
Ihr Vater erwartete sie.„Du bist eine schöne Braut, Coralee.“ Er küsste sie auf die Wange. „Auch wenn dein Benehmen häufig zu Tadel Anlass gibt, heißt das nicht, dass ich dich nicht liebe, Tochter.“
„Ich weiß,Vater. Ich hab dich auch lieb.“
Er nahm ihre Hand und legte sie in seine Armbeuge. „Ich bin stolz auf deine Willensstärke und deine Loyalität. Der Earl kann sich glücklich schätzen, dich zur Frau zu bekommen.“
Corrie nickte stumm, zu gerührt, um ein Wort über die Lippen zu bringen. Ihr Blick richtete sich nach vorn. Vor dem Altar stand der Mann, der bald ihr Ehemann sein würde. Der hochgewachsene,
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